8. Los geht’s! – Also fast…

Endlich hatten wir unsere IVF Klinik in Barcelona gefunden (siehe Blogpost „6. Die Auswahl der richtigen Kinderwunsch Klinik Part II – Oh wie schön ist Prag. Oder London. Oder Spanien. Oder doch Israel?“).

Genau eine Woche nach dem ersten Skype Termin mit dem Arzt und der Genetikerin, saßen mein Mann und ich im Flieger, um uns die Klinik vor Ort anzuschauen und mit den Ärzten das weitere Vorgehen zu besprechen. Wir waren beide ziemlich aufgeregt und voll freudiger Erwartung. Endlich kamen wir unserem Wunschkind wieder einen Schritt näher.

Der Termin in der Klinik war um 17 Uhr. Da wir genügend Zeit haben wollten und es spät abends keinen Rückflug mehr gab, hatte mein Mann uns ein nettes Hotel ganz in der Nähe vom Plaça de Catalunya gebucht. Wir würden eine Nacht bleiben und abends noch schön essen gehen.

Als wir bei der Klinik ankamen, waren wir erst einmal total begeistert vom Gebäude selbst. In einem kleinen Park, hinter einer schönen, alten, renovierten Fassade befand sich ein ganz moderner Bau.

Die Klinik

Eine Dame vom internationalen Team nahm uns in Empfang und brachte uns zum Wartezimmer. Das internationale Team besteht aus mehreren Leuten, die diverse Sprachen sprechen und für die Patienten aus dem Ausland zuständig sind. Sie machen die Termine bei den Ärzten, schreiben Emails und helfen vor Ort mit der Orientierung.

Zuerst trafen wir den IVF Arzt, nennen wir ih Dr. D. Unser erster guter Eindruck aus der Videokonferenz bestätigte sich beim persönlichen Treffen. Nachdem er mich untersucht hatte, um sich per Ultraschall ein Bild von meinen Follikeln und Eierstöcken zu verschaffen, nahm er sich Zeit, um all unsere Fragen ruhig und kompetent zu beantworten. Da wir so schnell wie möglich loslegen wollten, besprachen wir konkret die nächsten Schritte. Leider hatte er an meinen Eierstöcken eine Zyste entdeckt. Bevor wir mit der ersten Hormonbehandlung loslegen konnten, musste diese verschwunden sein. Er wies mich an, an Tag 2 meiner nächsten Periode von meiner Gynäkologin in Deutschland einen Ultraschall machen zu lassen. Sollte die Zyste dann nicht mehr da sein, könnte ich ab Tag 3 mit den Medikamenten beginnen. Die Rezepte dafür gab er uns bereits mit.

Dann trafen wir die Genetikerin. Sie besprach mit uns den genauen Ablauf des genetischen Tests. Zur Vorbereitung benötigte das Labor auch das genetische Material meiner Eltern, damit sie die genaue Gen-Mutation des Lynch-Syndroms feststellen und den Test für unsere befruchteten Eizellen dementsprechend verfeinern konnten. Dafür gab sie uns Sets, mit denen wir einen Abstrich der Mundschleimhaut meiner Eltern entnehmen konnten, die wir dann einfach per Post an die Klinik schicken könnten. Sie erklärte uns auch noch einmal, dass es in Spanien auch eine Ethikkommission für genetische Tests gibt, die von Fall zu Fall ihre Genehmigung geben muss. Bisher wurde PID bei Lynch-Syndrom in allen Fällen genehmigt, weshalb es auch bei uns kein Problem werden sollte. Der einzige Haken war, dass diese Kommission nur unregelmäßig zusammen kam, um ihre Entscheidungen zu treffen. Manchmal tagte sie alle 3 Monate, manchmal legte sie aber wohl auch eine längere Pause ein. Das konnten wir leider nicht beeinflussen und wir konnte nur geduldig warten.

Nun war also alles besprochen. Um sicher zu gehen, dass wir auch die richtigen Medikamente bekommen würden, beschlossen wir, diese direkt in der Apotheke nebenan zu holen. Wir brauchten insgesamt drei verschiedene hormonhaltige Medikamente. Zwei davon würde ich mir täglich spritzen müssen, um die Follikelreifung zu stimulieren. Sobald die Follikel eine gewisse Größe erreicht hatten und um einen vorzeitigen Eisprung zu unterdrücken, würde ich mir dann auch das dritte Medikament täglich spritzen müssen, bis die Follikel reif genug wären für die Eizellentnahme.

Wir kamen mit einer riesengroßen Tüte voller Medikamenten aus der Apotheke. Preislich waren die Medikamente ca. 30% günstiger als in Deutschland. Das war natürlich auch ein zusätzliches Plus. Plötzlich fiel uns jedoch ein, dass wir damit ja auch am nächsten Tag durch die Security Kontrolle am Flughafen müssten. Wir waren uns gar nicht sicher, ob das mit so vielen Spritzen und Kanülen überhaupt erlaubt war. Doch am nächsten Tag gab es am Flughafen zum Glück keinerlei Probleme.

Zurück in Deutschland galt es dann weitere Vorbereitungen zu treffen. Meine Gynäkologin in Deutschland hatte ich bereits in unsere Pläne eingeweiht. Ich brauchte ihre Unterstützung, da während der Hormonbehandlung regelmäßig Ultraschallkontrollen und Bluttests durchgeführt werden mussten. Diese wollte ich zu Hause in Deutschland machen lassen und dann erst zur Entnahme der Eizellen nach Barcelona fliegen. So musste ich statt zwei Wochen oder mehr nur ein paar Tage vor Ort sein. Zum Glück war meine Ärztin in Deutschland sehr unterstützend und hat mir zugesagt, auch kurzfristig für alle nötigen Ultraschallkontrollen zur Verfügung zu stehen.

Nur die Bluttests stellten ein Problem dar. Der Arzt in Barcelona benötigte die Resultate der regelmäßigen Bluttests noch am selben Tag, um den Fortschritt der Behandlung zu überwachen und um eine Entscheidung für die weitere Medikamentendosis treffen zu können. Das Labor mit der meine Frauenarztpraxis zusammenarbeitete würde die Ergebnisse jedoch erst einen Tag später liefern können. Ich musste also eine andere Lösung finden. Eine Freundin brachte mich auf die Idee, mich direkt an ein Labor zu wenden. Bei vielen Laboren kann man sich nämlich vor Ort direkt Blut abnehmen lassen und dann noch am selben Tag die Resultate bekommen. Bereits das zweite Labor, mit dem ich telefonierte, bot diesen Service an. Die sehr nette Dame mit der ich sprach, meinte, das das alles kein Problem sei. Wenn ich bis ca. 12 Uhr zur Blutabnahme da wäre, könnten Sie mir noch am selben Tag die Resultate mitteilen.

Alle Vorbereitungen waren jetzt also getroffen. Jetzt hieß es nur noch hoffen, dass die Zyste verschwinden würde. Und ich hatte Glück: Als ich am 2. Tag meiner Periode bei meiner Gynäkologin war, konnte sie im Ultraschall keine Zyste mehr erkennen.

Es konnte jetzt also wirklich losgehen!

7. Doch bevor es richtig los geht, erst mal eine Endometriumbiopsie

Genau, da war ja noch was. Mit IVF hatten wir uns ja nur angefangen zu beschäftigen, weil bei mir ein Gendefekt festgestellt wurde: HNPCC, auch Lynch-Syndrom genannt (siehe Blogpost „1. HNPCC what? – Wenn Krebs plötzlich mehr als unwahrscheinlich ist“). Bei mir besteht demnach ein stark erhöhtes Risiko für Darmkrebs und andere Krebsarten und ich muss jedes Jahr eine ganze Reihe an Vorsorgeuntersuchungen über mich ergehen lassen (siehe Blogpost „2. Mein neues Hobby: Krebsvorsorgeuntersuchungen).

Ich hatte alle Krebsvorsorgeuntersuchungen erfolgreich hinter mich gebracht. Bis auf die Endometriumbiopsie. Das Endometrium ist die Gebärmutterschleimhaut. Es geht also darum, mehrere kleine Proben aus der Gebärmutterschleimhaut zu entnehmen, die dann auf Krebszellen getestet werden können. Es gibt tatsächlich keinen anderen Weg, um Gebärmutterschleimhautkrebs frühzeitig zu erkennen. Im Ultraschall können zwar Veränderungen erkannt werden, das muss aber nicht immer der Fall sein und wenn ist der Krebs dann oft schon weit fortgeschritten.

Auch die Entnahme mehrere Biopsien gibt keine Garantie, Gebärmutterschleimhautkrebs wirklich zu entdecken, da theoretisch die Proben ja an Stellen entnommen werden könnten, wo kein Krebsgewebe ist. Um wirklich sicher zu gehen, müsste man die komplette Gebärmutterschleimhaut ausschaben und untersuchen, was nur mit einer sog. Abrasio oder Kürettage unter Vollnarkose möglich ist.

Eine Endometriumbiopsie kann ambulant durchgeführt werden. Es gibt spezialisierte gynäkologische Zentren an diversen Kliniken überall in Deutschland. Hier gibt es eine ganz gute, wenn auch wahrscheinlich nich ganz aktuelle, Übersicht.

Ich habe mich entschieden die Untersuchung in der Berliner Charité machen zu lassen. Wahrscheinlich nicht die beste Entscheidung, wie sich später herausstellen sollte…

Schon der Vorbesprechungstermin war eine kleine Katastrophe. Trotz festen Termins musste ich insgesamt fast 4 Stunden warten. Völlig normal, wie mir andere, wiederkehrende Patienten im Warteraum versicherten. Die Assistenzärztin, die mich dann untersucht hat, hatte leider noch nie von HNPCC gehört. Ansonsten hielt sie sich mit ausführlichen Erklärungen zurück und sagte nur, dass die Endometriumbiopsie im Rahmen einer Hysteroskopie (also Gebärmutterspiegelung) und unter Vollnarkose gemacht werden müsse und ich mir einen OP-Termin geben lassen sollte.

Der OP-Termin war dann 5 Wochen später angesetzt. Am Tag davor musste ich zur Vorbereitung bereits in der Charité vorbeischauen. Bei der Anmeldung gab es etliche Formulare auszufüllen und dann hatte ich noch einen Termin mit einer Narkoseärztin. Insgesamt wieder 3 Stunden im Krankenhaus verbracht.

Am Tag darauf wurde es dann Ernst. Um 8:30 Uhr musste ich da sein. Nach der Anmeldung, die ausnahmsweise recht schnell ging, sollte ich dann, begleitet von meinem Mann, in einem Wartezimmer Platz nehmen, bis ich zur OP-Vorbereitung abgeholt werden würde. Und da saßen wird dann und warteten und warteten und warteten. Auf Nachfrage hin wurde uns gesagt, dass ein Notfall vorgezogen werden musste. So etwas kann in einem Krankenhaus natürlich passieren und dafür hat man ja auch Verständnis. Allerdings ging es mir an dem Tag richtig schlecht (Grippe o.ä.), so dass mir das Warten ziemlich schwer viel. Um die Mittagszeit herum wurde mir dann angeboten, dass ich schon einmal zur Station gehen und mir ein Bett zuweisen lassen könnte, um mich etwas auszuruhen. Gesagt, getan.

Man beachte auch, dass ich ja wegen der Vollnarkose komplett nüchtern sein musste und dementsprechend seit dem Abend davor weder gegessen noch getrunken hatte. Netterweise wurde mir auf der Station dann auch schon ein venöser Zugang gelegt und ich bekam etwas Kochsalzlösung. Ich hatte glücklicherweise ein Bett in einem Einzelzimmer und habe dort dann den Rest des Nachmittags verpennt. Bis mir dann um 16:30 Uhr gesagt wurde, dass die OP dann jetzt heute doch nicht stattfinden könne, weil zu viele Notfälle dazwischen gekommen seien und es keine Kapazitäten mehr gäbe. Ich wurde also wieder nach Hause geschickt und sollte am nächsten Tag anrufen, um mir einen neuen Termin geben zu lassen.

WTF!? Ich hatte also einen kompletten Tag verschwendet. Würde ich jetzt wieder 5 Wochen auf einen OP-Termin warten müssen? Und woher sollte ich wissen, dass es beim nächsten Mal nicht wieder so sein würde?

Ich hatte die Telefonnummer der Oberärztin bekommen, die für die OP-Planung zuständig war. Sie rief ich also am nächsten Tag an. Zu meiner Überraschung fragte sie mich, warum ich den Eingriff überhaupt unter Vollnarkose durchführen lassen wollte. „Äh, weil die Assistenzärztin im Vorbesprechungstermin mir das so gesagt hat?“ Die Oberärztin meinte, dass ich das auch ambulant durchführen könne, da es nur ein kurzer, schmerzfreier Eingriff sei. Das war mir natürlich lieber. Und so vereinbarten wir einen ambulanten Termin für die Woche drauf und ich ärgerte mich noch mal etwas mehr, dass ich den Tag davor überflüssigerweise im Krankenhaus verbracht hatte.

Nun ja. Eine Woche später fuhr ich dann wieder in die Charité. Dieses Mal ohne Begleitung, da der ambulante Eingriff ja ganz kurz und schmerzlos werden sollte. Nach der nun schon gewohnten langen Wartezeit, wurde ich dann in das Behandlungszimmer gerufen, wo ich mich auf einen gynäkologischen Stuhl setzen durfte. Nachdem die Ärztin mir noch mal versicherte, dass es schnell gehen würde (max. 10 Minuten) und vielleicht ein bisschen zwicken oder sich so anfühlen könnte, wie leichte Regelschmerzen, nahm sie mit einem Spray eine Lokalbetäubung des äußeren Muttermundes vor. Als ich dann die langen, ca. 5mm dicken Instrumente sah, wurde mir doch etwas mulmig.  An einem war vorne eine kleine Zange, mit der die Proben aus der Gebärmutterschleimhaut abgezwickt werden sollten.

An das was dann folgte, kann ich mich nur noch ungenau erinnern. Statt 10 Minuten, lag ich ca. 30 Minuten auf dem Stuhl und hatte die schlimmsten Schmerzen meines Lebens. Mir kommen jetzt beinahe noch die Tränen, wenn ich daran denke. Anscheinend ist meine Gebärmutter etwas abgeknickt, weshalb die Ärztin die Instrumente nicht so einfach einführen konnte und immer wieder probierte mit den starren Dingern in meine Gebärmutter zu stoßen. Während der gesamten Prozedur sind mir die Tränen nur so aus den Augen gespritzt und ich habe mich in die Armlehnen des Stuhles gekrallt. Die Arzthelferin hatte ziemliches Mitleid mit mir und legte mir mehrmals einen kalten Waschlappen auf die Stirn. Irgendwann war es dann vorbei und die Ärztin hatte ausreichend Gewebeproben entnommen.

Zum Abschluss meinte die Ärztin dann, dass ich diesen Eingriff dann beim nächsten Mal doch besser mit Vollnarkose machen sollte. Das hätte sie mir so nicht sagen müssen. Ein weiteres Mal würde ich das sicher nicht über mich ergehen lassen.

Auf wackeligen Beinen, zitternd und mit starken Unterleibsschmerzen verließ ich dann den Ort des Schreckens. Nachdem ich an der frischen Luft ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, rief ich sofort meinen Mann und dann meine Mutter an, denen ich dann unter Tränen von dieser Horrorerfahrung berichtete.

Mein persönliches Fazit:

  1. Die Charité mag sicher ein anerkanntes und fachlich gutes Krankenhaus sein. In Bezug auf Patientenservice (Wartezeiten, etc.) ist sie allerdings eine Katastrophe. Wenn es sich vermeiden lässt, werde ich nicht noch einmal dort hingehen.
  2. Im Rahmen der HNPCC Vorsorge wird bei der Endometriumbiopsie oft die Pipelle-Methode empfohlen. Dabei werden mit einem dünnen Plastikröhrchen Teile der Gebärmutterschleimhaut abgesaugt. Das klingt deutlich weniger schmerzhaft und erfordert keine Vollnarkose. Darüber werde ich probieren noch etwas mehr zu erfahren, da das ja eine gute Möglichkeit sein könnte, die jährliche Vollnarkose für die Hysteroskopie zu umgehen.
  3. So bald wir mit unserer Kinderplanung durch sind, werde ich ernsthaft in Betracht ziehen, mir Gebärmutter und Eierstöcke entfernen zu lassen. Dann kann ich mir diesen ganzen Aufwand nämlich auch komplett sparen und habe zumindest das Risiko für Gebärmutter- und Eierstockkrebs so gut wie eliminiert.

 

6. Die Auswahl der richtigen Kinderwunsch Klinik Part II – Oh wie schön ist Prag. Oder London. Oder Spanien. Oder doch Israel?

Nachdem wir also mit vielen nützlichen Infos zum Thema IVF und PID bewaffnet waren (siehe Blogpost „5. Die Auswahl der richtigen Kinderwunsch Klinik Part I – A Numbers Game und warum Deutschland kein gutes Land für eine IVF Behandlung ist), ging es nun an die konkrete Auswahl der Kliniken. Der Plan war zunächst online nach guten Kliniken zu suchen und basierend auf den Reviews eine Vorauswahl zu treffen. Mit den Kliniken auf dieser Liste würden wir dann jeweils Erstgespräche vereinbaren und uns darauf basierend dann für eine entscheiden.

Mein Mann und ich hatten das Glück, im Bekanntenkreis einen sehr erfahrenen Reproduktionsmediziner zu haben. Allerdings arbeitete er für eine große Klinik in den USA. Wir hatten ganz kurz in Betracht gezogen, die Behandlung bei ihm in den USA durchzuführen. Das haben wir dann aber doch schnell verworfen, da es aufgrund der Entfernung und der hohen Anzahl an notwendigen Behandlungen nicht wirklich praktikabel sein und unnötig viel Zeit und Geld kosten würde. Wir beschränkten uns auf Europa.

Also setzte ich mich an den Computer und fing an zu recherchieren und alles zu lesen, was mir zum Thema IVF in Europa in die Hände fiel. Einige Klinik Namen tauchten dabei immer wieder auf und ich fing an, mir eine Liste an IVF Kliniken zusammen zu stellen. Tschechien wäre durch die Nähe zu Deutschland natürlich am einfachsten. Spanien und England haben für IVF aber auch einen guten Ruf und jeweils zwei Kliniken schafften es davon auf meine Liste.

Ich fing auch an mit einigen engen Freunden darüber zu sprechen. Und siehe da: es beschäftigen sich anscheinend mehr Leute mit dem Thema als man denkt – wenn nicht selbst, dann haben viele zumindest jemanden im Bekanntenkreis, der in einer ähnlichen Situation ist. So habe ich dann auch über Freunde erfahren, dass Israel in Bezug auf IVF und besonders genetische Untersuchungen sehr fortschrittlich ist. Da mein Mann beruflich oft in Israel ist und ich Tel Aviv als Stadt sehr cool finde, beschlossen wir, uns auch dort zwei Kliniken anzuschauen.

Insgesamt haben es 10 Kliniken in unsere Vorauswahl geschafft. Ich habe alle angeschrieben und um ein Erstgespräch gebeten. Alle Kliniken waren es gewohnt, Patienten aus dem Ausland zu haben und haben statt eines Ersttermins vor Ort, auch einen Termin per Skype angeboten. Natürlich wollten wir uns die Kliniken auch anschauen, aber um einen ersten Eindruck zu gewinnen und um nicht zu viel für Reisekosten auszugeben, haben wir mit den meisten Kliniken erst einmal eine Videokonferenz vereinbart.

Bevor wir diese Termine aber wahrnehmen konnten, mussten wir für alle Kliniken seitenweise Formulare ausfüllen mit diversen Angaben zu unserer Gesundheit und Kinderwunsch-Situation. Außerdem haben alle Kliniken auch bereits Ergebnisse von diversen Blut- und Hormontests sowie ein Spermiogramm angefordert. Mit diesen Aktivitäten waren wir dann ganz gut beschäftigt und es hat etwas gedauert, bis wir alle Untersuchungen gemacht und die Ergebnisse davon erhalten haben. Wiedermal war ich sehr dankbar dafür, dass ich eine Job-Pause eingelegt hatte und mir die Zeit für all das in Ruhe nehmen konnte.

Der erste Termin war dann mit einer Klinik in Prag. Für diesen ersten Termin sind wir die paar Stunden nach Prag mit dem Auto gefahren. Die Klinik war mitten in der Stadt und wir waren zunächst vom Äußeren des sehr modernen Gebäudes beeindruckt. Direkt am Eingang befand sich die Anmeldung, bei der man auch sofort die Gebühr für die beiden Termine (IVF Arzt und Genetiker) zahlen musste: 178 Euro. Im Wartezimmer saßen noch einige andere Paare – alle viel älter als wir. Dann wurden wir auch schon von einer uns zugewiesenen Koordinatorin abgeholt. Diese Koordinatoren stehen besonders ausländischen Patienten mit sprachlicher Unterstützung zu Seite. Sie koordinieren aber auch generell alle Termine, Kosten- und andere Fragen. Wir hatten zuerst einen einstündigen Termin mit einem Genetiker wegen der Präimplantationsdiagnostik (PID) für Lynch-Syndrom. Von dem Genetiker hatten wir einen sehr guten Eindruck. Er schien sehr kompetent und konnte alle unsere Fragen gut beantworten. Das Vorgehen und die Erfolgsraten deckten sich auch in etwa mit den Kriterien, die wir uns vorher erarbeitet hatten (siehe Blogpost „5. Die Auswahl der richtigen Kinderwunsch Klinik Part I – A Numbers Game und warum Deutschland kein gutes Land für eine IVF Behandlung ist). Im Anschluss haben wir dann den Oberarzt getroffen, um den genauen Ablauf der In-vitro-Fertilisation (IVF) zu besprechen. Dieser Termin war dann weniger angenehm. Der Arzt war überhaupt nicht vorbereitet und schien sehr desinteressiert an unserem Fall. Nach ein paar unfreundlichen Fragen und der unsensiblen Aussage, dass es mit meinen Hormonwerten ja ziemlich bescheiden aussehen würde, hat er dann eine Ultraschalluntersuchung bei mir gemacht. Dabei konnte er dann nur wenige Follikel erkennen, was keine gute Voraussetzung für eine IVF Behandlung ist (siehe Blogpost „4. Die weibliche Fruchtbarkeit, das unbekannte Wesen“). Allerdings hat er uns das nicht gerade in einer mitfühlenden Art und Weise mitgeteilt, so dass mir schon die Tränen in den Augen standen. Am Ende hat er uns dann noch einen möglichen Behandlungsplan in die Hand gedrückt inkl. Rezepte für die benötigten Medikamente und uns aus dem Zimmer gescheucht. Nach diesem Termin war ich erst einmal ziemlich desillusioniert. Diese Klinik war bisher ganz oben auf meiner Liste, doch von diesem Arzt wollte ich mich nicht behandeln lassen. Dass meine Fruchtbarkeit nicht mehr so war wie sie sein sollte, war auch ein ziemlicher Schock. Ich habe also erst einmal ein bisschen geheult und meine Mama angerufen, um mich aufmuntern zu lassen.

Als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, beschlossen wir, uns spontan auch noch eine andere Klinik in Prag anzuschauen, mit der wir in der kommenden Woche bereits einen Skype-Termin vereinbart hatten. Wir wollten uns einfach vor Ort einen ersten Eindruck verschaffen. Als wir nach ca. 20 Minuten Autofahrt vor einem alten, grauen, trostlosen Ostblock Gebäude standen, wären wir fast wieder umgedreht. Wir sind dann aber doch mutig durch die Eingangstür und innen war die Atmosphäre dann ganz anders. Wir wurden sehr freundlich empfangen und obwohl wir keinen Termin hatten, wurde uns alles gezeigt und wir konnten sogar kurz mit der Ärztin sprechen, die wir sehr sympathisch fanden. Während unseres (kostenlosen!) Skype-Gesprächs eine Woche später konnte die Ärztin dann auch sehr kompetent und im Detail unsere Fragen beantworten. Leider war die Klinik ziemlich klein und führte nur einige Hundert IVF-Zyklen pro Jahr durch. Deshalb haben wir uns gegen die Klinik entschieden und es ging weiter mit dem Klinik-Casting.

Nach diesen Terminen, sagte uns unser Bauchgefühl, dass Tschechien wahrscheinlich nicht das richtige Land für uns ist. Dort wird sicher gute Arbeit geleistet. Aber richtig wohl fühlten wir uns dort bei keiner Klinik mit der wir gesprochen haben.

Als nächstes stand ein Skype-Termine mit einer Klinik in London an. Die Klinik wurde uns von einem Arzt aus unserem Bekanntenkreis empfohlen, weshalb wir hohe Erwartungen an das Gespräch mit dem IVF Arzt hatten, für das wir vorab bereits 205 GBP zahlen mussten. Der Arzt war dann aber so was von chaotisch und anstrengend und hat alle unsere Fragen nur mit Gegenfragen beantwortet. Er hatte leider auch keine Ahnung von den Erfolgsraten und obwohl ich vorab einen elend langen Anamnese-Bogen ausgefüllt und all meine Testergebnisse eingereicht hatte, hat er nur eine ganz allgemeine Beratung gemacht und ist nicht auf unseren speziellen Fall eingegangen. Deshalb haben wir nach diesem Gespräch die Klinik sofort von unserer Liste gestrichen haben, obwohl sie mit bis zu 2500 Zyklen pro Jahr eine der größten in England ist.

Nach dieser Enttäuschung hatten wir in das Gespräch mit einer weiteren Klinik in London fünf Tage später keine große Hoffnung gesetzt. Für 100 GBP durften wir für eine Stunde mit einer Genetikerin sprechen. Von der Frau waren wir dann allerdings richtig begeistert! Sie war kompetent, strukturiert und nett und hat uns sehr genau den kompletten Prozess für die PID in unserem Fall erklärt. Von ihr haben wir auch erfahren, dass wir nicht nach jedem Hormonzyklus die befruchteten Eizellen (Blastozysten) testen lassen und somit jedes Mal für den teuren Gentest zahlen müssen. Stattdessen können sie biopsiert werden, um dann sowohl die Blastozysten als auch die Biopsie (also die 4-5 Zellen, die entnommen wurden) einzufrieren. Nachdem man dann in mehreren Hormonzyklen einige Blastozysten angesammelt hat, können die Biopsien dann in einem Durchgang alle auf einmal getestet werden. So könnten wir also eine ganze Menge Kosten sparen und müssten nicht nach jedem Zyklus die teuren Test machen lassen. Neben der Genetikerin, wollten wir natürlich auch noch mit der IVF Ärztin reden. Auf den Termin mit ihr mussten wir dann allerdings noch zwei Wochen warten.

In der Zwischenzeit, haben wir dann trotzdem noch die Termine mit den anderen Kliniken in Spanien und Israel wahrgenommen.

Die erste Klinik in Spanien ist mir beim Googlen von diversen IVF Themen immer wieder begegnet. Die Klinik führt nämlich einen Blog, auf dem man in vielen Artikeln, ausführlich und in verständlicher Art und Weise alles erklärt bekommt, was man zum Thema IVF wissen muss. Allein dadurch war mir die Klinik schon sehr sympathisch. Der einstündige Skype Termin mit der IVF Ärztin kostete 140 Euro. Die Koordination des Termins im Vorfeld so wie die Verspätung der Ärztin machten einen leicht chaotischen (oder vielleicht spanischen!?) Eindruck. Die Ärztin sprach leider nur gebrochenes Englisch, weshalb eine Assistentin dabei war, die half zu übersetzen. Die Ärztin wirkte recht kompetent, konnte jedoch die Genetik Fragen nicht gut beantworten. Deshalb mussten wir noch einen zweiten Termin mit einem Genetiker vereinbaren, auf den wir jedoch auch erst wieder zwei Woche warten mussten.

Doch zunächst flogen mein Mann und ich nach Tel Aviv. Freunde hatten uns kurzfristig zwei Termine bei zwei verschiedenen Ärzten organisiert. Da mein Mann dort sowieso beruflich zu tun hatte, war das glücklicherweise kein allzu großer Aufwand für uns. Und als kleinen Bonus verbrachten wir anschließend zum Entspannen noch ein paar Tage in der Sonne.

Zwei Dinge vielen uns sofort auf: 1. Die Erstgespräche waren mit 300-360 Euro für eine halbe Stunde mit Abstand die bisher teuersten. 2. Auch wenn die Ärzte gut Englisch sprachen, hieß das noch lange nicht, das auch sonst jeder in der Praxis oder der Klinik Englisch verstand. Alle Schilder und Hinweise waren nur auf hebräisch wodurch sich alles sehr fremd anfühlte und wir uns alleine nicht gut zurecht finden konnten. Ich konnte nicht mal alleine das Klo finden.🙈 Um das hier abzukürzen: Das war der Hauptgrund warum wir uns letztlich gegen Israel entschieden haben. Die Termine waren gut und die Ärzte beide sehr, sehr kompetent. Aber die Tatsache, dass wir uns dort so fremd fühlten und nicht mit jedem kommunizieren konnten, hat uns zu große Sorgen bereitet. Wie der Preis für die Erstgespräche bereits vermuten ließ, wären die Kosten dort auch deutlich höher ausgefallen.

Nachdem Israel also aus dem Rennen war, stand die eine Klinik in London für uns an erster Stelle. Der Skype Termin mit der IVF Ärztin dort war auch super. Die Preisliste ließ uns ziemlich schlucken. Aber alle anderen Kriterien waren erfüllt, so dass wir beschlossen, so bald wie möglich nach London zu fliegen, um uns die Klinik anzuschauen und auch direkt die notwendigen Untersuchung für den Behandlungsbeginn machen zu lassen. Den Termin dafür hatten wir bereits 10 Tage später bekommen.

Somit wäre unser Klinik-Casting eigentlich am Ende gewesen. Aber eine Klinik in Spanien stand noch auf unserer Liste, mit der wir erst recht spät einen Skype Termin vereinbart hatten. Fast hätten wir diesen abgesagt, doch weil wir in den 10 Tagen bis zum Termin in London sowieso nichts machen konnten außer warten, haben wir doch mit der Genetikerin und dem IVF Arzt dort gesprochen.

Und beide Gespräche haben uns dann vom Hocker gerissen. Sehr gut organisiert, strukturiert, gut vorbereitet und mit unserer speziellen Situation vertraut, sehr kompetent, freundlich und Klinikgröße und Erfolgsraten stimmten auch mit unseren Auswahlkriterien überein. Und die Kosten waren ca. 30% geringer als in London. Zu dem Arzt hatten wir sofort einen guten Draht – mein Mann meinte nach dem Gespräch, dass er sich vorstellen könnte, auch einfach mal ein Bier mit ihm trinken zu gehen 🙂 Er war in etwa in unserem Alter und auch international auf Kongressen zum Thema IVF engagiert. Auch geografisch konnte die Klinik punkten: Besonders im Winter war mir Barcelona lieber als London. Sonne, Strand und gutes Essen. Unter den Umständen konnte das ja alles nur gut laufen.

Zum Glück hatten wir unsere London Flüge noch nicht gebucht. Denn jetzt waren wir uns 100%ig sicher, dass wir „unsere“ IVF Klinik gefunden hatten. Barcelona wir kommen! ☀

 

5. Die Auswahl der richtigen Kinderwunsch Klinik Part I – A Numbers Game und warum Deutschland kein gutes Land für eine IVF Behandlung ist

Als wir uns für eine In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Präimplantationsdiagnostik (PID) entschieden haben, um zu verhindern, dass unsere zukünftigen Kinder Lynch-Syndrom von mir erben würden, wurden wir nicht nur mit einer, sondern gleich mit zwei Komplikationen konfrontiert: 1. Die Tests für die Lynch-Syndrom Genmutation an der befruchteten Eizelle werden in Deutschland von der Ethikkommission nicht genehmigt. Somit mussten wir uns eine Klinik im Ausland suchen. (Siehe Blogpost „3. IVF – WTF?“) 2. Während der Untersuchungen für den ersten Beratungstermin mit einer Klinik in Prag stellte sich heraus, dass meine Fruchtbarkeit nicht der einer 34-jährigen Frau entspricht, sondern stark in Richtung beginnende Menopause deutet. (Siehe Blogpost „4. Die weibliche Fruchtbarkeit, das unbekannte Wesen“)

Meine Eizellreserve ging also so langsam zur Neige und jede einzelne Eizelle kam mir plötzlich unendlich kostbar vor – noch kostbarer und wundersamer als vor dieser Diagnose. Deshalb wollten mein Mann und ich die IVF Behandlung nicht in irgendeiner Klinik durchführen lassen, sondern wir wollten die beste Klinik für IVF und PID finden. Also bereiteten wir uns auf ein ausführliches Klinik-Casting vor. Wer uns kennt, weiß dass wir beide sehr analytisch sind und dass wir aus dieser Herausforderung ein fast wissenschaftliches Projekt machen würden.

Glücklicherweise, hatte ich mir eine Auszeit von meinem Job genommen und arbeitete zur Zeit nicht. Ich wollte mir die Zeit nehmen, um in Ruhe mit der Diagnose Lynch-Syndrom klar zu kommen und alle empfohlenen Vorsorge Untersuchungen durchzuführen. Damals wusste ich noch nicht, dass das Babyprojekt so aufwändig werden würde. Und tatsächlich war für mehrere Wochen die Beschäftigung mit meiner Gesundheit und dem Thema IVF und PID ein Fulltime-Job.

Mein Mann und ich hatten das Glück, im Bekanntenkreis einen sehr erfahrenen Reproduktionsmediziner zu haben. Er arbeitete für eine große Klinik in den USA, die erwartungsgemäß sehr fortschrittlich beim Thema Gentests sind. Bevor wir uns auf die Suche nach den Kliniken machten, führten wir ein langes Gespräch mit ihm, um im Detail zu verstehen, wie IVF und PID ablaufen und worauf man achten sollte, wenn man mit Ärzten und Kliniken spricht.

Zunächst sprachen wir über Zahlen, was meinem Mann und mir half zu verstehen, wie der Prozess genau abläuft und worauf es ankommt.

20 Im besten Fall entwickeln sich während der Hormonbehandlung 20 Follikel mit Eizellen.
12 Nach der Eizellentnahme, werden davon ca. 60% erfolgreich befruchtet.
6 Davon entwickeln sich dann etwa 50% weiter bis zum sogenannten Blastozysten Stadium (ca. Tag 5 nach Befruchtung).
3 Die Blastozysten werden dann in meinem Fall per PID auf Lynch-Syndrom getestet. Statistisch gesehen werden 50% diese Genmutation haben.
1-2 Bei einer 34-jährigen Frau haben normalerweise ca. ein Drittel der Embryonen Probleme mit den Chromosomen (Aneuploidien, Trisomien etc.). Mit dem Alter steigt die Anzahl auf über 50%. Das kann mittels Präimplantationsscreening (oder preimplantation genetic screening auf Englisch, abgekürzt PGS) ausgeschlossen werden.

Bei 20 Eizellen, landet man statistisch gesehen dann also bei einem oder zwei gesunden Embryos, die dann in die Gebärmutter eingesetzt werden können. Doch da endet das Zahlenspiel noch nicht. Denn nicht immer nistet sich ein solcher 5 Tage junger Embryo auch in der Gebärmutter ein und entwickelt sich zu einem gesunden Baby. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt in etwa bei 60%. Wenn man also der Statistik vertraut und auf Nummer sicher gehen will, hat man besser zwei solcher Embryos in petto, um am Ende ein gesundes Baby zu bekommen. Somit müsste ich also durch Hormonbehandlungen besser mehr als 20 Eizellen ansammeln. Und das würde bei meiner Diagnose wohl etwas dauern (siehe Blogpost „4. Die weibliche Fruchtbarkeit, das unbekannte Wesen“).

Eigentlich hatten mein Mann und ich auch immer mehr als ein Kind gewollt. Die klare Empfehlung von allen Ärzten mit denen wir gesprochen hatten war, dass wir dafür jetzt bereits die Eizellen sammeln und einfrieren sollten. Jedes weitere Jahr würde zum einen meine Eizellreserve verringern und zum anderen die Qualität der verbleibenden Eizellen verschlechtern. Eine Schwangerschaft rückte damit also erst einmal in weite Ferne. Zunächst würde ich einige Hormonbehandlungen über mich ergehen lassen müssen (so viele, wie mein Körper und unser Geldbeutel zulassen würden), um genügend Eizellen zu produzieren. Mein neuer Beruf: Legehenne.

So, aber zurück zu den Auswahlkriterien für die richtige Klinik:

  1. Wie ihr euch vorstellen könnt, sind IVF, PID und PGS nicht gerade trivial. Man möchte also sicher stellen, dass eine Klinik damit viel Erfahrung hat. Ein erstes gutes Beurteilungskriterium ist somit die Anzahl der IVF Zyklen, die in der Klinik pro Jahr durchgeführt werden. Laut unserem Bekannten sollten wir darauf achten, dass eine Klinik mindestens 1000 oder mehr Zyklen pro Jahr durchführt. Wenn eine Klinik zum Beispiel nur 100 oder 300 Zyklen macht, sollten wir diese nicht weiter in Betracht ziehen.
  2. Was am Ende zählt ist das Resultat, also ein gesundes Baby in den Händen zu halten. Der beste Maßstab eine Klinik an diesem Resultat zu messen ist deren Live Birth Rate (Lebendgeburtenrate) pro Embryotransfer, also die Wahrscheinlichkeit, dass ein gesundes Baby geboren wird, wenn ein nach PID und PGS normal getesteter Embryo in die Gebärmutter eingesetzt wird. Viele Kliniken legen nur ihre Schwangerschaftsraten offen. Doch wie wir alle wissen, kann während einer Schwangerschaft leider einiges schief gehen. Ziel ist es aber, ein Baby zur Welt bringen und deshalb sollten die Kliniken danach beurteilt werden. Es ist wichtig, nach der individuellen Live Birth Rate der Klinik zu fragen und sich nicht mit der Zahl einer allgemeinen Studie abspeisen zu lassen. Die Live Birth Rate kann eine Indikation für die Qualität der PID und PGS sein, sowie darauf hindeuten, wie gut die Klinik ihre Patienten zum Thema Schwangerschaft und Fehlgeburten berät. Alle Kliniken arbeiten mit diesen Zahlen. Wenn der Arzt, mit dem ihr redet, die Zahlen nicht kennt, wirkt das zum einen nicht gerade professionell. Zum anderen solltet ihr weiter nachhaken und den Arzt bitten, die Zahl nachzureichen. Im Idealfall liegt die Live Birth Rate bei mindestens 60%.
  3. Last but not least, nach all den Zahlen nun ein etwas softeres Kriterium: Vertrauen zum behandelnden Arzt. Im Endeffekt müsst ihr ein gutes Gefühl haben und dem behandelnden Arzt vertrauen können. Denn was nützen all die Statistiken, wenn ihr euch nicht wohl fühlt. Ein Baby per IVF zu bekommen ist schon abstrakt und unromantisch genug. Da will man sich wenigstens bei dem Arzt gut aufgehoben fühlen.

So, das sind meiner Meinung nach die drei wichtigsten Kriterien bei der Wahl einer Klinik. Nach dem ausführlichen Coaching, das wir von unserem Bekannten erhalten haben, haben wir zusätzlich noch ein paar anderen Themen in den Gesprächen mit den Kliniken angesprochen:

  • Wieviele Zellen werden aus der befruchteten Eizelle entnommen und an welchem Tag? – Um PID und PGS durchzuführen, muss eine Biopsie entnommen werden, die dann im Labor untersucht wird. Diese Biopsie besteht am besten aus 4-5 Zellen. Bei einer kleineren Anzahl von Zellen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Biopsie nicht repräsentativ für den ganzen Embryo ist und die Ergebnisse somit verfälscht sein könnten. Wenn man sich nun verdeutlicht, dass Embryonen am Tag 3 nach Befruchtung aus ca. 8 Zellen, am Tag 5 bereits aus ca. 100 Zellen bestehen (sog. Blastozysten-Stadium), macht es also einen großen Unterschied, wann man die Biopsie entnimmt. Selbst die Entnahme einer einzigen Zelle, würde an Tag 3 mehr als 12% des gesamten Embryos entsprechen. Die Entnahme von 4-5 Zellen bei einer Blastozyste würde hingegen viel weniger ins Gewicht fallen. Übrigens ist die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft pro eingesetztem Embryo bei Tag 5 Embryos deutlich höher als bei Tag 3 Embryos. Man muss aber dazu sagen, dass es nicht alle Embryos schaffen von Tag 3 bis Tag 5 zu überleben. Das ist zumeist ganz natürlich und liegt an krankhaften Defekten etc. Es kann aber zu einem gewissen Grad auch auf die Laborbedingungen zurückgeführt werden. Es muss also im Einzelfall abgewogen werden, welche Variante am sinnvollsten ist.
  • Welche Freezing Methode wird verwendet? – Nachdem die Biopsie entnommen wurde, wird der Embryo eingefroren, damit er nicht weiter wächst. Bei minus 196 °C kann der Embryo dann für unbestimmte Zeit aufbewahrt werden. Es gibt zwei Methoden, Eizellen oder Embryonen einzufrieren: das langsame Abkühlen (Slow Freezing) und die neuere Methode der Vitrifikation, bei der die Eizellen schockgefrostet werden (Flash Freezing). Vorteil der Vitrifikation ist, dass ca. 90-100% der Embryonen das Auftauen überleben, während beim Slow Freezing die Überlebensrate nur etwa 50-60% beträgt. Falls also eine Klinik noch mit der veralteten Slow Freezing Technik arbeiten sollte, sollte man diese eher meiden.
  • Welchen Stimulationsplan schlagen Sie in unserem Fall vor (Dosis, Kontrollen, Zeit zwischen zwei Hormonzyklen)? – Von unserem Bekannten aus den USA haben wir erfahren, dass die tägliche Hormondosis zwischen Ländern und Kliniken stark variieren kann. In den USA folgt man eher dem Motto „viel hilft viel“ und verabreicht eine maximale tägliche Dosis von bis zu 600IE des follikelstimulierenden Hormons (FSH). In Europa geht man damit etwas vorsichtiger um, auch um eine potentielle Hyperstimulation zu vermeiden. Die maximale Dosis der meisten Ärzte liegt bei 375-400IE. Die individuelle Dosis hängt von den eigenen Hormonwerten und der geschätzten Eizellreserve ab. Wenn man so wie ich eine niedrige Eizellreserve hat, wird tendenziell eine höhere Hormondosis benötigt, um möglichst viele Eizellen zum Heranreifen zu animieren. In meinem Fall hat es mich also etwas stutzig gemacht, wenn der Arzt eine Dosis von unter 200IE vorgeschlagen hat. Während der Stimulationsphase sollte die Follikelreifung eng überwacht werden, um den Fortschritt zu überprüfen und auch um ggf. die tägliche Hormondosis anzupassen. Idealerweise wird ab Tag 5 alle zwei Tage eine Ultraschallkontrolle und eine Überprüfung des Estradiol Levels vorgenommen. Wenn Ärzte z.B. eine Überwachung erst ab Tag 10 vorschlagen oder wenn nur Ultraschall und nicht die Blutwerte betrachtet werden (oder umgekehrt), vermittelt das mir das Gefühl, dass hier keine individuelle und engmaschige Betreuung vorgenommen wird. Da ich ja bereits wusste, dass ich mehrere Hormonbehandlungen machen müssen würde, hat mich der empfohlene Abstand zwischen zwei Hormonzyklen sehr interessiert. Die beste Antwort für mich hierbei war, dass man zu Beginn des nächsten Zyklus per Ultraschall und Blutwerte bestimmen würde, ob eine erneute Hormonbehandlung angeraten ist oder nicht. Das machte für mich viel mehr Sinn, als wenn Ärzte pauschal sagten, dass zwei Monate zwischen zwei Hormonzyklen pausiert werden sollte.

Diese Fragen gehen schon sehr ins Detail und führen dazu, dass man mit den Ärzten Gespräche auf relativ hohem Niveau führt. Den Ärzten, mit denen wir gesprochen haben, war relativ schnell klar, dass wir uns bereits intensiv mit dem Thema beschäftigt hatten und dass wir uns nicht mit den allgemeinen Standardantworten zufrieden geben würden. In einem Gespräch mit einem Arzt wurden wir sogar gefragt „Seid ihr Biologen?“ – Sind wir nicht. Wir sind BWLer. Aber wir haben das als Kompliment genommen und uns darin bestätigt gefühlt, dass wir bei unserem Auswahlverfahren gründlich vorgehen. Das war dann auch ungefähr der Zeitpunkt, an dem ich beschlossen habe einen Blog zu schreiben, um das Wissen, das wir uns angeeignet haben, an andere weiterzugeben.

Übrigens, ich will mir nicht anmaßen, eine absolute Expertin auf diesem Gebiet zu sein. Ich bin keine Medizinerin, Biologin oder ähnliches. Ich gebe nur die Informationen nach bestem Wissen und Gewissen weiter, die ich mir während meiner eigenen Recherche angeeignet habe. Auch solltet ihr wissen, dass die Möglichkeiten in Deutschland teilweise etwas anders sind und der Umgang mit befruchteten Eizellen durch das Embryonenschutzgesetz viel restriktiver ist.

Dass PID im Fall von Lynch-Syndrom nicht erlaubt ist, hatte ich ja schon erwähnt. Aber selbst wenn die Ethikkommission die PID in meinem Fall erlauben würde, würde ich die dann wirklich bei einer Klinik in Deutschland durchführen wollen, die damit kaum Erfahrung hat und wahrscheinlich weniger als eine pro Woche davon macht? Wahrscheinlich nicht!

Präimplantationsscreening (PGS) ist in Deutschland übrigens auch nicht erlaubt. Ein kleiner Zellhaufen darf also nicht untersucht werden. Stattdessen lässt man die Frau lieber ein erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt tragen. Und falls nach einigen Monaten erfolgreicher Schwangerschaft, eine Fehlbildung festgestellt wird, darf man ein Baby ganz legal abtreiben. Als ob das nicht viel schlimmere psychische und physische Konsequenzen für alle Beteiligten hat… Verrückte Welt!

In Deutschland ist das Einfrieren von Embryonen verboten und nur in Ausnahmefällen erlaubt. Befruchtete Eizellen dürfen nur eingefrorenen werden, so lange sie sich noch im Vorkernstadium befinden, das Spermium also schon in die Eizelle eingedrungen ist, die Zellkerne aber noch nicht verschmolzen sind (bis ca. 22 Stunden nach Eindringen der Samenzelle in die Eizelle). Laut Embryonenschutzgesetz soll es auch eigentlich gar nicht so weit kommen, dass Embryonen eingefroren werden. Denn §1 Absatz 1 Nr. 5 besagt, dass nur so viele Eizellen befruchtet werden dürfen, wie innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen. Da per Gesetz nur maximal 3 Embryonen auf einmal übertragen werden dürfen, dürfte man streng genommen also eigentlich nur 3 Eizellen überhaupt befruchten. Die Wahrscheinlichkeit, dass dabei ein transferierbarer Embryo entsteht ist dementsprechend gering. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nun von den Kinderwunschzentren unterschiedlich ausgelegt. Zum Beispiel wird argumentiert, dass man ja mittlerweile weiß, dass sich ca. 50% der befruchteten Eizellen gar nicht erst weiterentwickeln und dass man deshalb auch bis zu 6 Eizellen auf einmal befruchten kann. Das sollte man vorher mit dem behandelnden Arzt genau besprechen. Denn eine Hormonbehandlung kostet viel Zeit, Nerven und Geld. Es wäre schon sehr schade, wenn dann auch noch die Anzahl der kostbaren Eizellen, die befruchtet und konserviert werden können, künstlich durch eine Vorschrift limitiert werden würde.

Auch toll: Samenspenden sind in Deutschland erlaubt. Eizellspenden nicht. Warum? Weil man nicht will, dass ein Baby sozusagen zwei Mütter hat? Aber zwei Väter oder Adoptivmütter sind etwas anderes oder wie?

Ach ja, auf die Kosten einer IVF werde ich später noch eingehen. Aber damit ihr schon mal Bescheid wisst: Wenn ihr gesetzlich versichert seid, bekommt ihr nur unter bestimmten Voraussetzungen finanzielle Unterstützung von der Krankenkasse. Ein Kriterium ist dabei, dass ihr ein verheiratetes Paar sein müsst. Welcome to the 21st Century…

Falls ihr noch mehr dazu lesen wollt, bei EDITION F gibt es einen, wie ich finde, sehr gelungen Artikel zum Thema unerfüllter Kinderwunsch in Deutschland.

Jeder muss für sich selbst entscheiden was ethisch und moralisch und auch finanziell die beste Option ist. Ich bin persönlich zum dem Schluss gekommen, dass bei Kinderwunschbehandlungen in Deutschland nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt werden, um die Wahrscheinlichkeit zu maximieren ein Kind zu bekommen. Wenn ihr mich fragt, spricht vieles dafür lieber ins Ausland zu gehen, wenn man die Möglichkeit hat.

4. Die weibliche Fruchtbarkeit, das unbekannte Wesen

Als ich mit Lynch-Syndrom diagnostiziert wurde, haben mein Mann und ich uns entschieden, keine Kinder auf natürlichem Weg zu bekommen (siehe Blogpost „3. IVF – WTF?“). Stattdessen haben wir beschlossen, uns einer In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Präimplantationsdiagnostik (PID) zu unterziehen, um so zu verhindern, dass unsere zukünftigen Kinder den gleichen Gendefekt erben würden. Da PID bei Lynch-Syndrom in Deutschland nicht von der Ethikkommission genehmigt wird, blieb uns nichts anderes übrig, als uns eine IVF Klinik im Ausland zu suchen.

Also recherchierten wir nach IVF Kliniken in Tschechien und machten mit einer Klinik in Prag einen Termin für ein Erstgespräch. In Vorbereitung auf diesen Termin, wurden wir gebeten bereits diverse Untersuchungen und Tests machen zu lassen, damit der Arzt eine erste Einschätzung unserer Situation machen und Empfehlungen für eine Behandlung geben konnte. Auf Nachfrage hin haben wir erfahren, dass sich anhand diverser Hormonwerte im Blut eine Aussage über die Fruchtbarkeit der Frau treffen lässt. Aha. Interessant. Wieso hatte ich vorher noch nie etwas davon gehört? Naja, ich war ja erst 34 und um Fruchtbarkeit musste ich mir ja nun sicher keine Sorgen machen. Ach was war ich damals noch so schön naiv…

Wie angewiesen bin ich dann zwischen dem 2. und 4. Tag meines nächsten Zyklus zur Blutabnahme bei meinem Gynäkologen erschienen. Die Hormone, die bestimmt werden sollten, waren Anti-Müller Hormon (AMH), FSH, LH und Östradiol.

Ich hatte keine Ahnung, welchen Zweck die einzelnen Hormone erfüllten und habe mich deshalb erst mal schlau gemacht:

1. Anti-Müller Hormon (AMH): Das Anti-Müller Hormon (AMH) ist mit der wichtigste Indikator, um die Eizellenreserve einer Frau zu bestimmen. Die Eizellenreserve ist im Prinzip der Vorrat an Eizellen, der in den Eierstöcken vorhanden ist. Die Eizellenreserve kann nur sinken, nie steigen. Bereits als Fötus im Leib der Mutter entsteht die Eizellenreserve, mit der frau für den Rest ihres Lebens auskommen muss. Bis zur 20. Schwangerschaftswoche haben sich etwa sieben Millionen Eizellen in den Eierstöcken eines ungeborenen Mädchens entwickelt. Von da an geht es bergab. Bereits bei der Geburt sind nur noch etwa eine Millionen, bei Erreichung der Pubertät nur noch 400.000 Eizellen vorhanden. In jedem Zyklus kommt dann zwar nur ein Ei (machmal zwei) zur Reife, allerdings werden während dieses Vorgangs bis zu 1.000 weitere Eizellen verbraucht. Und somit verringert sich unsere Eizellenreserve also Monat um Monat unaufhaltbar. Zusätzlich unterliegen die Eizellen genau wie unser Körper einem Alterungsprozess und die Eizellenqualität nimmt mit den Jahren ab (später mehr dazu).

Das war eine aufschlussreiche, aber auch bittere Erkenntnis. Die biologische Uhr existiert also nicht nur in unserem Kopf, sondern es gibt sie wirklich. Und sie tickt wie verrückt!

Die Fruchtbarkeit ist von Frau zu Frau verschieden und der AMH Wert kann eine Indikation über die zur Verfügung stehende Eizellenreserve geben.

Die AMH Werte, die frau erwarten kann, liegen etwa in folgenden Bereichen:

  • 1.3 – 8 ng/mL: Normwert für fertile Frauen
  • 1,0 – 1,3 ng/mL: leicht eingeschränkte Fertilität
  • 0,4 – 1,0 ng/mL: eingeschränkte Fertilität
  • < 0,4 ng/mL: stark eingeschränkte Fertilität
  • > 8 ng/mL: Verdacht auf PCO-Syndrom

Nach der Menopause fällt der AMH-Spiegel auf nicht mehr messbare Werte ab.

2. FSH: Das Follikelstimulierende Hormon (FSH) bewirkt die Reifung von Eibläschen (Follikeln) in den Eierstöcken bis hin zum Eisprung. Ein erhöhter FSH Wert kann eine Indikation für eine zurückgehende Eizellenreserve sein. FSH wird hauptsächlich in der ersten Hälfte des Zyklus ausgeschüttet und sollte zwischen dem 2. und 4. Zyklustag gemessen werden. Dabei ist ein Wert zwischen 2 und 10 mIU/mL normal. Werte über 10 können auf eine verminderte Eizellenreserve hindeuten.

3. LH: Das Luteinisierendes Hormon (LH) trägt zur Auslösung des Eisprungs bei und steigt in den 48 Stunden davor stark an (20mIU/mL oder höher). Die Messung sollte ebenfalls zwischen dem 2. und 4. Zyklustag erfolgen. Werte zwischen 2 und 8 mIU/mL sind normal.

4. ÖstradiolÖstradiol (auch Estradiol oder E2) sollte ebenfalls zu Beginn des Zyklus gemessen werden. Gute Werte liegen zwischen 25 und 75 mIU/mL.

Als meine Gynäkologin mir dann eine Woche später meine Ergebnisse mitteilte, erlebte ich die nächste böse Überraschung. Mein AMH-Wert deutete mit nur 0.91 auf eine eingeschränkte Fertilität hin. Der erhöhte FSH Wert von 12.5 war ebenfalls nicht besonders prickelnd. Ihre Aussage, „Also wenn Sie sich jetzt nicht sowieso schon mit künstlicher Befruchtung beschäftigen würden, würde ich Ihnen raten, es nicht mehr zu lange auf natürlichem Wege zu probieren.“ gab mir dann den Rest. In der Praxis konnte ich die Tränen noch zurück halten, aber so bald ich aus der Tür war, musste ich erst einmal los heulen.

Das war eine völlig unerwartete Wendung. Meine Eierstöcke entsprachen also nicht meinem eigentlichen Alter, sondern waren mir bereits ein paar Jahre voraus und deuteten stark in Richtung beginnende Wechseljahre. WTF? Wieso kann ich bitte mit 34 kurz vor den beginnenden Wechseljahren stehen?

Während des Termins mit der Klinik in Prag wurde dann auch ein vaginaler Ultraschall bei mir gemacht, um meine Eierstöcke zu begutachten. Neben den Hormonwerten gibt es nämlich noch eine weitere einfache Methode, um die Eizellenreserve abzuschätzen: der Antrale Follikel Count (AFC).

Follikel sind Zellstrukturen an den Eierstöcken in denen Eizellen heranreifen. Obwohl es zwei Eierstöcke mit jeweils mehreren Follikeln gibt, wird normalerweise nur eine Eizelle pro Zyklus entwickelt. Die anderen Follikel reifen nicht heran oder bilden sich zurück. Beim Eisprung wird eine Eizelle aus dem reifen Follikel ausgestoßen und macht sich auf den Weg durch die Eileiter, wo sie dann durch ein Spermium befruchtet werden kann.

Die Anzahl der antralen Follikel, also der AFC lässt eine Einschätzung der verbleibenden Eizellenreserve zu und wird mit einem vaginalen Ultraschall am Anfang des Zyklus bestimmt. Der Arzt kann dann ganz einfach die Follikel pro Eierstock zählen, die als dunkle Punkte auf dem Bildschirm sichtbar sind und in dieser Phase des Zyklus etwa 2 bis 10 mm groß sind. Ein normaler Wert für den AFC ist zwischen 6 und 10 pro Eierstock. Sind nur wenige Follikel erkennbar, kann dies auf eine verminderte Eizellenreserve hinweisen.

Während der Ultraschalluntersuchung in Prag, konnte der Arzt an meinem rechten Eierstock nur 3 Follikel erkennen. Am linken Eierstock hatte ich eine große Zyste, weshalb er gar keine Follikel erkennen konnte. Seine Einschätzung war, dass ich auf insgesamt maximal 5-6 Follikel kommen würde.

Das war ein weiterer Rückschlag! Von einem befreundeten Reproduktionsmediziner wurde uns nämlich gesagt, dass wir mindestens 20 Eizellen benötigen würden, um ein gesundes Kind zu bekommen. Denn von den 20 Eizellen werden während der IVF einige nicht befruchtet bzw. entwicklen sich nicht weiter und sterben ab, so dass davon nur ca. 4-5 befruchtete Eizellen übrig bleiben, von denen dann 50% das Lynch Syndrom haben werden, welches wir ja für unsere Kinder ausschließen wollen. Und selbst wenn wir dann eine gesunde, befruchtete Eizelle zurück in meine Gebärmutter setzen, muss sich diese ja erst noch einnisten und zu einem gesunden Baby entwickeln. Mehr dazu im nächsten Blogpost „5. Die Auswahl der richtigen Kinderwunsch Klinik Part I – A Numbers Game und warum Deutschland kein gutes Land für eine IVF Behandlung ist“.

Mit meiner Fertilitätsprognose würde ich also mindestens 3 bis 4 Hormonbehandlungszyklen durchmachen müssen, um überhaupt auf die Anzahl von 20 Eizellen zu kommen. Uff! Bisher dachten wir, dass eine, vielleicht maximal zwei Hormonbehandlungen ausreichen würden und zack würden wir ein Baby bekommen. Doch diese Illusion wurde uns damit genommen.

Am meisten an dieser ganzen Sache ärgert mich, dass bei meinen jährlichen gynäkologischen Check-ups das Thema Fertilität noch nicht einmal im Ansatz erwähnt wurde. Es ist so einfach mit einem kleinen Bluttest die Eizellenreserve zu bestimmen und auch bei jedem vaginalen Ultraschall könnte der Arzt die Follikel sehen. Warum wurde das also bisher noch nie angesprochen? Weil die Krankenkassen das nicht zahlen? Ich glaube viele Frauen wären bereit, die 50 Euro einmal im Jahr zu investieren. Ich finde jede Frau ab 30 sollte während eines gynäkologischen Vorsorgetermins zumindest aufgeklärt werden, dass es diese Möglichkeiten gibt. Wenn ich mit Anfang 30 herausgefunden hätte, dass meine Eizellenreserve bereits zur Neige geht, hätte ich mich ziemlich sicher dafür entschieden Eizellen einzufrieren. Für manche Paare kann das auch den Kinderwunsch beschleunigen.

Dass in der heutigen Zeit oft suggeriert wird, dass auch ältere Frauen problemlos schwanger werden können, ist einfach falsch. Natürlich bekommen im Schnitt Frauen heutzutage später Kinder als früher. Aber ich glaube nicht, dass das immer so einfach ist. Oftmals lässt eine Schwangerschaft wahrscheinlich ziemlich lange auf sich warten. Und in vielen Fällen tritt sie vielleicht niemals ein. Schwanger zu werden mit niedriger Eizellenreserve ist nicht unmöglich und man sollte nie den Mut verlieren. Doch je früher man sich mit dem Thema Fruchtbarkeit auseinander setzt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit keine böse Überraschung erleben zu müssen.

3. IVF – WTF?

Noch vor einem halben Jahr war künstliche Befruchtung oder In-vitro-Fertilisation (IVF) ein Thema, von dem wir nie geglaubt hätten, dass wir uns damit auseinandersetzen müssten. Wir waren frisch verheiratet, ich 33 und mein Mann 34 Jahre jung und wir hatten gerade beschlossen, dass wir nun endlich loslegen wollen mit dem Kinderkriegen.

Doch dann wurde in meiner Familie und schließlich auch bei mir ein Gendefekt festgestellt: HNPCC, auch Lynch-Syndrom genannt (siehe Blogpost „1. HNPCC what? – Wenn Krebs plötzlich mehr als unwahrscheinlich ist“).

Wie in diesem Blogpost beschrieben, besteht bei mir ein stark erhöhtes Risiko für Darmkrebs und andere Krebsarten. Ich selbst muss mich mit dieser Situation abfinden, die jährliche Flut von Vorsorgeuntersuchungen über mich ergehen lassen und hoffen, dass kein Krebs bei mir auftreten wird.

Aber was ist mit unseren ungezeugten Kindern? Die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Lynch-Syndrom an sie weitervererben würde, liegt bei 50%. Gibt es nicht eine Möglichkeit, wie wir vermeiden können, dass sie diesen Gendefekt bekommen?

Eine Bekannte meinte dazu, sie würde dann einfach gar keine Kinder kriegen. Das war für uns allerdings keine befriedigende Option.

In einem Gespräch mit einem Arzt für Humangenetik stellte sich heraus, dass es tatsächlich eine Möglichkeit gibt: In-Vitro Fertilisation (IVF). Ich hatte natürlich überhaupt keine Ahnung, was genau damit gemeint war. Aber im ersten Moment habe ich mich einfach nur gefreut, dass es eine Option gibt. Moderner Wissenschaft sei Dank!

Damit boten sich uns also kurz zusammengefasst folgende drei Möglichkeiten das Thema Kinderkriegen anzugehen:

  1. Auf natürlichem Wege schwanger werden. Wahrscheinlichkeit der Weitervererbung liegt bei 50%. Unsere Kinder können sich dann ab dem 18. Lebensjahr auf das Vorliegen des Gendefekts testen lassen.
  2. Künstliche Befruchtung (IVF), wobei mir Eizellen entnommen, im Labor befruchtet und untersucht werden und mir dann nur die wieder eingesetzt werden, die den Gendefekt nicht aufweisen.
  3. Überhaupt keine eigenen Kinder bekommen.

Alleine über diese Thematik könnte man eine lange, ethische Abhandlung verfassen und unendliche Diskussionen führen. Ich glaube, dass das wirklich eine ganz persönliche Entscheidung sein sollte, bei der es kein richtig oder falsch gibt. Jeder, der in so einer Situation ist, kann das für sich selbst entscheiden und sollte deshalb auch nicht verurteilt werden.

Mein Mann und ich haben viel darüber nachgedacht, recherchiert, mit Familie und Freunden und auch mit Ärzten gesprochen. Und relativ schnell war uns dann klar, dass wir den Weg der künstlichen Befruchtung nehmen würden.

Uns war auch klar, dass das nicht gerade der einfachste Weg war. Little did we know…

Wir haben also erst einmal einen Termin in einem Kinderwunschzentrum gemacht, um uns über das genaue Vorgehen zu informieren.
Leider hatte der Arzt dort keine wirkliche Ahnung von genetischen Untersuchungen, konnte uns aber zumindest den generellen Ablauf einer IVF gut erklären. Vereinfacht dargestellt ist der Prozess wie folgt:

  1. Stimulation der Eierstöcke mit einer Hormonbehandlung für ca. 8-12 Tage. Ziel ist es statt nur einer Eizelle, wie im normalen Zyklus, mehrere Eizellen heranreifen zu lassen.
  2. Entnahme der Eizellen
  3. Zusammenführung von Eizellen und Sperma in einzelnen Petrischalen
  4. Entwicklung der befruchteten Eizellen hin zu einem Embryo über einen Zeitraum von bis zu 5 Tagen
  5. Transfer von einem oder mehreren Embryos zurück in die Gebärmutter
  6. Schwangerschaftstest nach ca. 10 Tagen – Wenn der positiv ist, heißt es hoffen, wie bei jeder anderen Schwangerschaft auch. Wenn er negativ ist, geht der Prozess wieder von vorne los, wenn man es denn noch mal probieren möchte.

Worauf der Arzt uns keine Antwort geben konnte, war die Frage, ob die genetischen Tests für Lynch-Syndrom an der unbefruchteten oder befruchteten Eizelle durchgeführt werden müssen. Ein kleiner, jedoch entscheidender Unterschied, wie wir durch eigene Recherchen gelernt hatten. Ersteres kann in Deutschland relativ problemlos durchgeführt werden. Zweiteres ist nur in ganz, ganz wenigen Ausnahmefällen zugelassen, da eine befruchtete Eizelle, auch wenn diese aus nicht einmal 100 winzigen Zellen besteht, unter das Embryonenschutzgesetz fällt.

Man nennt diese genetische Untersuchung von befruchteten Eizellen im Rahmen einer IVF Präimplantationsdiagnostik (PID) oder auf Englisch Preimplantation genetic diagnosis (PGD). PID darf in Deutschland nur in speziell dafür zugelassenen Zentren durchgeführt werden.
Außerdem darf die PID laut Embryonenschutzgesetz nur zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos gemacht werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird. Die Einhaltung dieser Voraussetzung wird von einer Ethikkommission geprüft und muss durch diese genehmigt werden.

Um endlich Klarheit für unseren Fall zu bekommen, haben wir uns direkt an ein Kinderwunschzentrum gewendet, dem die Genehmigung zur PID vorliegt.

Dieser Termin war dann ziemlich desillusionierend. Uns wurde gesagt, das die Lynch-Syndrom Genmutation nur an der befruchteten Eizelle getestet werden kann und somit unter die oben genannten Restriktionen des Embryonenschutzgesetzes fällt. Da bei Lynch-Syndrom keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Tot- oder Fehlgeburt besteht, würde die Ethikkommission die PID in unserem Fall also nicht genehmigen.

Wir konnten es erst einmal nicht fassen. Da gäbe es rein technisch die Möglichkeit, unseren Kindern das Lynch-Syndrom zu ersparen. Doch eine Ethikkommission zusammengesetzt aus Menschen, die uns überhaupt nicht kennen, kann entscheiden, dass uns diese Möglichkeit nicht zugänglich ist.

Dem Arzt war anzumerken, dass er das ebenfalls nicht unbedingt für richtig hielt. Er erklärte uns, dass die Gesetzeslage dazu in Deutschland veraltet und viel, viel strenger als in anderen europäischen Ländern sei. Auch wenn er offiziell keine Empfehlung abgeben darf, erwähnte er, dass sich viele Menschen in ähnlichen Situation an IVF Ärzte im Ausland wenden würden. Besonders die Kliniken in Tschechien seien zu empfehlen, auf Grund der Erfahrung dort, aber auch wegen der Nähe zu Deutschland und der etwas günstigeren Kosten.

Und plötzlich hatte unser Babyprojekt eine ganz andere Dimension.

2. Mein neues Hobby: Krebsvorsorgeuntersuchungen

Von meiner Humangenetikerin wurde ich bereits darüber aufgeklärt, welches Risiko bei Lynch-Syndrom für welche Krebsarten besteht. Trotzdem habe ich zusammen mit meiner Mutter und meiner Tante, die auch mit Lynch-Syndrom diagnostiziert wurden, noch einen Termin in der HNPCC-Sprechstunde an der Uniklinik Heidelberg gemacht.

Die Uniklinik Heidelberg ist eines von sechs Darmkrebszentren in Deutschland, das von der Deutschen Krebshilfe, im Rahmen des Verbundprojektes „Familiärer Darmkrebs“, gefördert wird. Dabei arbeiten Humangenetiker, Internisten, Chirurgen und Pathologen eng zusammen, mit dem Ziel Standards für eine optimale Betreuung von Patienten mit HNPCC und deren Familien zu erarbeiten.

Natürlich hatten wir bereits vorher im Internet selbst viel zum Thema Lynch-Syndrom recherchiert. Allerdings wollten wir noch einmal eine ganzheitliche Beratung zu den notwendigen Vorsorgemaßnahmen von Ärzten, die sich speziell mit HNPCC beschäftigen und die neuesten Erkenntnisse dazu haben.

Das Gespräch in Heidelberg war dann auch sehr hilfreich. Frau Dr. Tariverdian hat sich viel Zeit für uns genommen. Vieles von dem Wissen, das wir uns bereits angeeignet hatten, wurde bestätigt und es waren auch einige neue Informationen dabei. Am Ende hatten wir das Gefühl, jetzt gut Bescheid zu wissen, wie wir mit HNPCC umgehen und welche Vorsorgeuntersuchungen wir von nun an regelmäßig machen müssen.

Und das sind leider eine ganze Menge. Für HNPCC-Patienten werden folgende Check-ups jährlich empfohlen:

Ab dem 25. Lebensjahr:
– Darmspiegelung (Dickdarm, aber auch Dünndarm so weit möglich)
– Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes (Leber, Gallenblase, Gallenwege, Bauspeicheldrüse, ableitenden Harnwege, Blase, Niere)
– für Frauen: gynäkologische Untersuchung mit vaginalem Ultraschall (Gebärmutter und Eierstöcke)
– körperliche Untersuchung

Ab dem 35. Lebensjahr:
– Magenspiegelung
– für Frauen: Endometriumbiopsie (Entnahme von Gewebeproben aus der Gebärmutterschleimhaut)

Da besonders weisser Hautkrebs auch vermehrt bei Menschen mit HNPCC auftritt, empfiehlt sich ein jährliches Hautkrebs-Screening.

Als Krebsvorsorge für Gehirn bzw. Zentrales Nervensystem gibt es keine wirklich einfache Methode. Man könnte natürlich regelmäßig eine Computertomographie (CT) des Gehirns machen lassen. Aber ob die dabei notwendigen Röntgenstrahlen nicht vielleicht mehr Schaden als Nutzen anrichten ist unklar. Eine Kernspintomographie (MRT) wäre noch eine Option. Von den Ärzten wird keine direkte Vorsorge empfohlen. Ich bin persönlich noch zu keinem Entschluss gekommen, wie ich damit umgehen will. Ich könnte mir vorstellen, dass ich evtl. tatsächlich alle drei Jahre ein MRT zur Kontrolle machen lassen werde.

Puh, da kommt dann doch so einiges zusammen. Also habe ich mich an den Computer gesetzt und probiert die besten Ärzte für all diese Vorsorgemaßnahmen in meiner Nähe ausfindig zu machen und zeitnah Termine zu vereinbaren. Ich habe diverse Ärzte abtelefoniert, Termine vereinbart und wieder verschoben. Bis dann der ganze Terminplan stand, war das schon eine ganze Menge Arbeit. Und dabei hatte ich noch keine einzige Untersuchung gehabt.

So, aber nun einmal zu den Untersuchungen selbst. Um alle empfohlenen Untersuchungen durchführen zu lassen, muss man im Prinzip zu insgesamt vier verschiedenen Ärzten:

  1. Gastroenterologe: Magen- und Darmspiegelung, Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes
  2. Gynäkologe: gynäkologische Untersuchung mit vaginalem Ultraschall
  3. Klinik für Gynäkologie: Endometriumbiopsie
  4. Hautarzt: Hautkrebs-Screening

Der Termin beim Gastroenterologen stand zuerst an. Die Aussicht einen Schlauch mit Kamera sowohl von oben als auch von unten in meinen Verdauungstrakt gesteckt zu bekommen war nicht gerade verlockend. Nur um das noch mal deutlich zu sagen: Wir reden hier davon, dass mir jemand eine Kamera zum Einen durch den Mund in meinen Magen, zum Anderen durch meinen Hintern in den Darm schieben wird. Durch meinen HINTERN!! Bäh!

Dementsprechend nervös war ich vor meinem ersten Termin, der der Vorbesprechung zur Magen- und Darmspiegelung dienen sollte. Doch schon nach wenigen Minuten war klar: die Ärztin, die ich mir ausgesucht hatte, ist der Hammer! Eine sehr nette, lustige, kompetente Frau, zu der ich instinktiv Vertrauen fasste und bei der das alles plötzlich gar nicht mehr so schlimm klang.

Zunächst einmal berichtete ich ihr von meiner familiären Vorgeschichte und der Diagnose Lynch-Syndrom. Das fand sie sehr spannend. Sie meinte, darüber werde zwar in Lehrbüchern und Fachzeitschriften geschrieben, sie würde das aber immer überblättern, weil ihr noch kein Fall untergekommen sei. Von nun an war ich also sozusagen ihr persönliches Forschungsobjekt für HNPCC. Das äußerte sich darin, dass sie sehr, sehr gründlich bei ihren Untersuchung vorging und sich mit mir freute, wenn die Befunde unauffällig waren.

Bei meinem ersten Ultraschall mit ihr gab es jedoch einen großen Schreck: Nachdem Leber, Galle, Niere etc. unauffällig waren, entdeckte die Ärztin weiter unten in meinem Bauch eine ca. 5cm große Struktur, die da nicht hingehörte. Sie war plötzlich ganz besorgt und wurde ganz ernst. Da die Struktur mit Flüssigkeit gefüllt zu sein schien, meinte sie, dass ich mir erst mal noch keine großen Sorgen machen müsse. Sie war sich aber nicht 100%ig sicher, was das sein könnte, da das im gynäkologischen Bereich liegt und sie keine Expertin auf dem Gebiet ist. Sie empfahl mir, schnellstmöglich ein MRT zu machen und mich von einem Gynäkologen untersuchen zu lassen.

War ich während sie mir das alles sagte noch recht gefasst, brach ich erst einmal in Tränen aus, als ich aus der Praxis ging. Ich habe sofort meinen Mann angerufen, der mich glücklicherweise etwas beruhigen konnte. Auf den MRT Termin musste ich leider 5 Tage warten. Zu meiner Gynäkologin konnte ich bereits am nächsten Tag. Da stellte sich das ganze dann als eine eingeblutete Eierstock Zyste heraus, die man beobachten sollte, die ansonsten aber wahrscheinlich relativ harmlos ist. Alter Schwede war ich erleichtert!

Durch dieses Erlebnis wurde ich mir bewusster darüber, was es heißt, mit Lynch-Syndrom und der allgegenwärtigen Möglichkeit von Krebs zu leben. Aber es hat mir auch gezeigt, dass nicht jede Auffälligkeit fatal sein muss. Es wird wahrscheinlich immer mal wieder kleine und große Schrecken geben. Aber man darf deshalb nicht in ständiger Angst und Sorge leben. Vielmehr sollte man bewusster leben und sich an den schönen Dingen des Lebens erfreuen.

Doch kommen wir zurück zu meiner Magen- und Darmspiegelung. In dem Vorgespräch mit der Ärztin hatte ich gleich zwei positive Neuigkeiten erfahren: 1. Die Magen- und Darmspiegelung kann mit einem Termin erledigt werden und ich muss dafür nicht zwei Termine zu unterschiedlichen Zeiten machen. 2. Die Untersuchungen werden mit Sedierung gemacht. Das heißt, ich werde schlafen und es gar nicht mitbekommen, wenn mir Schläuche in diverse Körperöffnungen geschoben werden. Halleluja!

Zur Darmspiegelung gehört einiges an Vorbereitung, da der Darm möglichst sauber sein muss, damit der Arzt eine gute Sicht hat. Drei Tage vor dem Termin musste ich bereits auf meine Ernährung achten. Kernhaltige Nahrungsmittel (z.B. Trauben, Kiwi, Vollkornprodukte), Nahrungsmittel mit Schalen (z.B. Äpfel, Tomaten, Hülsenfrüchte) und Fasern (z.B. Salat, Spargel, Südfrüchte) waren tabu. Am Tag vor der Untersuchung wurde es dann ernst. Einzige erlaubte Nahrungsaufnahme war ein leichtes Frühstück. Danach durfte ich dann nur noch klare Getränke wie Wasser, hellen Tee, klaren Apfelsaft und klare Brühe zu mir nehmen. Um 14 Uhr musste ich dann ein Abführmittel nehmen. Das ist oft der Teil der Darmspiegelung, den viele als den unangenehmsten beschreiben. Das liegt daran, dass viele der Abführmittel einen schrecklichen, leicht salzigen Geschmack haben. Allerdings gibt es mittlerweile auch wohlschmeckendere Präparate und meine Ärztin war so nett mir eines von diesen zu verschreiben (PICOPREP®, sehr zu empfehlen!). Allen Abführmitteln gemein ist, dass man nach der Einnahme sehr viel Flüssigkeit (mind. 3 Liter) zu sich nehmen muss. Und man sollte sich für diesen Tag nichts mehr vornehmen, da man die meiste Zeit auf der Toilette zubringt.

Am Untersuchungstag selbst darf man dann nichts essen und bis maximal zwei Stunden vor dem Termin noch ein Glas Wasser trinken. Und dann geht es los. Nur mit einem schicken, hinten offenen OP-Hemdchen bekleidet, durfte ich dann in den OP spazieren und mich auf den OP Tisch in eine Seitenlage legen. Die gut gelaunten Schwestern haben mir dann unter anderem einen venösen Zugang in meinem linken Arm gelegt und mir das Mundstück erklärt, dass ich zwischen die Zähne nehmen musste, um auch während der Sedierung den Mund geöffnet zu halten. Dann kam die Ärztin und spritzte mir das Narkosemittel Propofol und innerhalb weniger Sekunden war ich dann auch schon eingeschlafen.

Von der Untersuchung an sich gibt es nicht viel zu berichten, da ich wie versprochen schön geschlummert und nichts mitbekommen habe. Gedauert haben die Magen- und Darmspiegelung zusammen wohl etwa eine halbe Stunde. Das Endoskop, das dabei benutzt wird, ist ein ziemliches Multi-Talent. Es hat nicht nur eine Kamera, sondern kann auch gleichzeitig Gewebeproben entnehmen und Polypen entfernen. Gewebeproben werden an unterschiedlichen Stellen genommen und anschließend im Labor untersucht.

Kurze Zeit später kam ich im Aufwachraum dann langsam wieder zu mir. Die Ärztin kam noch kurz herein, um zu sagen, dass alles gut verlaufen sei. Und nach einer Stunde konnte mich mein Mann dann wieder mit nach Hause nehmen.

Alles in allem war es eine überraschend angenehme Erfahrung. Zu behaupten, dass ich mich schon auf die nächste Magen- und Darmspiegelung in einem Jahr freue, ist wohl etwas übertrieben, aber zumindest habe ich keine Angst mehr davor.

Eine Woche später erhielt ich dann einen Anruf von der Ärztin. Der Befund der Gewebeproben war eingetroffen. Glücklicherweise wurden keine bösartigen Auffälligkeiten gefunden. Allerdings ergaben die Gewebeproben aus meinem Magen, dass bei mir eine leichte Gastritis vorliegt, ausgelöst durch Helicobacter. Helicobacter ist ein Bakterium, dass in den Mägen von ziemlich vielen Menschen lebt. Es muss nicht unbedingt behandelt werden. Da es aber Magengeschwüre verursachen kann, die sich dann auch zu Krebs entwickeln können, riet mir die Ärztin in meinem Fall zu Antibiotika, um den Helicobacter zu vertreiben.

Ihr seht also, dass man sich mit diesen Krebsvorsorgeuntersuchungen ganz gut beschäftigen kann. Die Endometriumbiopsie habe ich noch vor mir. Davon berichte ich euch dann ein andermal.

To be continued…

1. HNPCC what? – Wenn Krebs plötzlich mehr als unwahrscheinlich ist

Manchmal habe ich das Gefühl, je älter man wird, desto häufiger hört man von schlimmen Krankheit oder sonstigen Schicksalsschlägen im Bekanntenkreis. In meinem 34 Jahre kurzen Leben hatte ich immer mal wieder von Verwandten und Bekannten gehört, die an irgendeiner Form von Krebs erkrankt waren. In meiner engeren Familie hatten mein Opa und meine Tante immer wieder mit Hautkrebs zu kämpfen. Außerdem war mein Opa in jungen Jahren an Darmkrebs erkrankt, der glücklicherweise aber geheilt werden konnte. Und bei meiner Mutter wurde vor einigen Jahren ein Stimmbandkarzinom entdeckt. Es konnte entfernt werden und in den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen ist seit dem zum Glück keine Spur von Krebs mehr aufgetaucht.

Dann erkrankte eine Cousine zweiten Grades im Alter von 31 an Darmkrebs. Das machte die Ärzte stutzig, da das Durchschnittsalter bei der Erstdiagnose von Darmkrebs normalerweise bei 65 Jahren liegt. Nach diversen Tests stand fest: meine Cousine litt an HNPCC, auch Lynch-Syndrom genannt.

HNPCC (Abkürzung aus dem englischen „Hereditary Non-Polyposis Colorectal Cancer“) ist ein vererbbares Krankheitsblild, das durch ein deutlich erhöhtes Risiko für das Auftreten von Krebserkrankungen gekennzeichnet ist.
Typisch ist das Auftreten von Darmkrebs in jungen Jahren. Doch es kann auch in anderen Geweben zur Tumorentstehung kommen. In das Tumorspektrum des Lynch-Syndroms gehören insbesondere Krebserkrankungen der Gebärmutter, Eierstöcke, Magen, ableitende Harnwege, Leber, Galle, Haut und Gehirn. Uff!

Krebsarten

Die Erbkrankheit Lynch-Syndrom ist durch einen genetischen Defekt bedingt, den meine Cousine von einem Elternteil geerbt haben musste, das diesen wiederum auch von einem Elternteil geerbt hatte, usw. Also wurden zunächst Ihre Eltern auf den Gendefekt getestet. Dabei stellte sich heraus, dass ihre Mutter der Anlageträger ist und sie also diejenige war, die das Lynch-Syndrom weiter vererbt bekommen hatte. Da ihr bereits verstorbener Vater (also der Großvater meiner Cousine) auch an Darmkrebs erkrankt war, lag die Vermutung nahe, dass er auch Anlageträger war. Da er der Bruder meines ebenfalls bereits verstorbenen Opas war, der ja auch in jungen Jahren an Darmkrebs erkrankt war, war die Wahrscheinlichkeit plötzlich ziemlich hoch, dass das Lynch-Syndrom auch in unserem Zweig der Familie vertreten ist.

Also ließ sich meine Mutter testen und wurde ebenfalls mit Lynch-Syndrom diagnostiziert. Somit standen die Chancen also 50:50, dass ich ebenfalls das Lynch-Syndrom geerbt hatte.

Um das herauszufinden, musste ich einen Beratungstermin bei einem Arzt für Humangenetik machen. Dieser Termin dient dazu, sich eigene Vorstellungen über eine mögliche erbliche Veranlagung machen zu können. Der beratende Arzt informiert über den Nutzen, den eine genetische Testung hat, aber auch welche möglichen Nachteile diese mit sich bringen kann.
Die Entscheidung für oder gegen eine genetische Untersuchung liegt bei einem selbst. Damit soll das Recht jedes Menschen auf „informationelle Selbstbestimmung“ gewahrt und geschützt werden. Das bedeutet, dass Betroffene selbst entscheiden können, was ihnen wichtiger ist: Das Bedürfnis nach genetischer Risikoabklärung oder das Bedürfnis, nicht genau über das eigene Krankheitsrisiko Bescheid wissen zu wollen.

Wir hatten uns in der Familie schon sehr viel mit dem Thema auseinander gesetzt und ich war mir sicher, auf jeden Fall wissen zu wollen, ob der Gendefekt auch bei mir vorliegt. In meinem Beratungsgespräch mit der Humangenetikerin ließ ich mir deshalb auch Blut für die genetische Testung abnehmen.

Doch bevor ich das Ergebnisse erfahren konnte, musste ich einige versicherungsrechtliche Fragen klären. Das mag jetzt vielleicht komisch klingen, denn was hat das bitte mit meiner Gesundheit zu tun, die ja wohl wichtiger sein sollte als irgendein Papierkram? Allerdings ist es so, dass es mit der Diagnose Lynch-Syndrom schwierig werden kann z.B. eine Lebensversicherung abzuschließen. Da wir diese aber unbedingt brauchen, z.B. wenn wir später für einen Hauskauf einen Kredit aufnehmen müssen, wollte ich sicher gehen, auch alle administrativen Hürden aus dem Weg geräumt zu haben. Ein paar Wochen später habe ich dann endlich mein Ergebnis erfahren. Und wie ihr euch sicher schon denken könnt, wurde bei mir der Gendefekt auch festgestellt.

Für meine Familie und mich war die Diagnose erst einmal ein Schock.

Die meisten Krebsarten, für die ein erhöhtes Risiko besteht, bekommt man mit einer gezielten Früherkennung so weit in den Griff, dass sie gar nicht erst entstehen oder sich ausbreiten können. Somit muss ich von nun an also einmal jährlich diverse Untersuchungen machen lassen, inklusive Darmspiegelung, Magenspiegelung, Ultraschalluntersuchungen, Hautkrebsvorsorge und leider auch eine Gebärmutterspiegelung mit Biopsie der Gebärmutterschleimhaut (im nächsten Artikel mehr dazu). Frauen, die ihren Kinderwunsch bereits abgeschlossen haben, wird empfohlen sich Gebärmutter und Eierstöcke sogar entfernen zu lassen.

Vorsorge hin oder her, es ist trotzdem beängstigend zu wissen, dass diese Krebsarten ein erhöhtes Risiko haben, in meinem Körper aufzutreten. Doch genau diese Angst gilt es in den Griff zu bekommen.

Meiner Familie und mir ist das, nachdem wir den ersten Schock verarbeitet hatten, eigentlich ganz gut gelungen. Hier einige Tipps, die ich dazu habe:

  1. Wissen ist Macht – Informiert euch gut über die Krankheit. Verlasst euch nicht darauf, dass euch die Ärzte von sich aus alles erzählen. Macht eigene Recherchen und stellt Fragen, wenn ihr euch nicht sicher seid.
  2. Vorsorge, Vorsorge, Vorsorge – Macht alle empfohlenen Vorsorgetermine und geht regelmäßig jedes Jahr wieder hin. Damit könnt ihr sicherstellen, dass auch die kleinste Unauffälligkeit, die irgendwann einmal das Potential für Krebs haben könnte, entdeckt und entfernt oder behandelt werden kann. Darmkrebs gehört zu den „nettesten“ der ganzen Krebsarten. Ein Polyp im Dickdarm benötigt normalerweise 10 Jahren, um sich zu Krebs zu entwicklen. Mit Lynch-Syndrom ist diese Entwicklung stark beschleunigt und in etwa 3 mal so schnell. Das sind dann aber immer noch 3 Jahre, in denen das bei der jährlichen Vorsorge entdeckt und entfernt werden kann
  3. Lebt bewusst – Ernährt euch gesund, bewegt euch, vermeidet negativen Stress. Das gehört auch mit zur Krebsvorsorge.
  4. Macht euch nicht verrückt! – Bewahrt eine positive Einstellung! Krebs kann jederzeit bei jedem Menschen auftreten, auch ohne Gendefekt. Freut euch, dass ihr jetzt wisst, dass bei euch ein erhöhtes Risiko vorliegt und dass ihr dementsprechend Vorsorge betreiben könnt. Alles wird gut!