8. Los geht’s! – Also fast…

Endlich hatten wir unsere IVF Klinik in Barcelona gefunden (siehe Blogpost „6. Die Auswahl der richtigen Kinderwunsch Klinik Part II – Oh wie schön ist Prag. Oder London. Oder Spanien. Oder doch Israel?“).

Genau eine Woche nach dem ersten Skype Termin mit dem Arzt und der Genetikerin, saßen mein Mann und ich im Flieger, um uns die Klinik vor Ort anzuschauen und mit den Ärzten das weitere Vorgehen zu besprechen. Wir waren beide ziemlich aufgeregt und voll freudiger Erwartung. Endlich kamen wir unserem Wunschkind wieder einen Schritt näher.

Der Termin in der Klinik war um 17 Uhr. Da wir genügend Zeit haben wollten und es spät abends keinen Rückflug mehr gab, hatte mein Mann uns ein nettes Hotel ganz in der Nähe vom Plaça de Catalunya gebucht. Wir würden eine Nacht bleiben und abends noch schön essen gehen.

Als wir bei der Klinik ankamen, waren wir erst einmal total begeistert vom Gebäude selbst. In einem kleinen Park, hinter einer schönen, alten, renovierten Fassade befand sich ein ganz moderner Bau.

Die Klinik

Eine Dame vom internationalen Team nahm uns in Empfang und brachte uns zum Wartezimmer. Das internationale Team besteht aus mehreren Leuten, die diverse Sprachen sprechen und für die Patienten aus dem Ausland zuständig sind. Sie machen die Termine bei den Ärzten, schreiben Emails und helfen vor Ort mit der Orientierung.

Zuerst trafen wir den IVF Arzt, nennen wir ih Dr. D. Unser erster guter Eindruck aus der Videokonferenz bestätigte sich beim persönlichen Treffen. Nachdem er mich untersucht hatte, um sich per Ultraschall ein Bild von meinen Follikeln und Eierstöcken zu verschaffen, nahm er sich Zeit, um all unsere Fragen ruhig und kompetent zu beantworten. Da wir so schnell wie möglich loslegen wollten, besprachen wir konkret die nächsten Schritte. Leider hatte er an meinen Eierstöcken eine Zyste entdeckt. Bevor wir mit der ersten Hormonbehandlung loslegen konnten, musste diese verschwunden sein. Er wies mich an, an Tag 2 meiner nächsten Periode von meiner Gynäkologin in Deutschland einen Ultraschall machen zu lassen. Sollte die Zyste dann nicht mehr da sein, könnte ich ab Tag 3 mit den Medikamenten beginnen. Die Rezepte dafür gab er uns bereits mit.

Dann trafen wir die Genetikerin. Sie besprach mit uns den genauen Ablauf des genetischen Tests. Zur Vorbereitung benötigte das Labor auch das genetische Material meiner Eltern, damit sie die genaue Gen-Mutation des Lynch-Syndroms feststellen und den Test für unsere befruchteten Eizellen dementsprechend verfeinern konnten. Dafür gab sie uns Sets, mit denen wir einen Abstrich der Mundschleimhaut meiner Eltern entnehmen konnten, die wir dann einfach per Post an die Klinik schicken könnten. Sie erklärte uns auch noch einmal, dass es in Spanien auch eine Ethikkommission für genetische Tests gibt, die von Fall zu Fall ihre Genehmigung geben muss. Bisher wurde PID bei Lynch-Syndrom in allen Fällen genehmigt, weshalb es auch bei uns kein Problem werden sollte. Der einzige Haken war, dass diese Kommission nur unregelmäßig zusammen kam, um ihre Entscheidungen zu treffen. Manchmal tagte sie alle 3 Monate, manchmal legte sie aber wohl auch eine längere Pause ein. Das konnten wir leider nicht beeinflussen und wir konnte nur geduldig warten.

Nun war also alles besprochen. Um sicher zu gehen, dass wir auch die richtigen Medikamente bekommen würden, beschlossen wir, diese direkt in der Apotheke nebenan zu holen. Wir brauchten insgesamt drei verschiedene hormonhaltige Medikamente. Zwei davon würde ich mir täglich spritzen müssen, um die Follikelreifung zu stimulieren. Sobald die Follikel eine gewisse Größe erreicht hatten und um einen vorzeitigen Eisprung zu unterdrücken, würde ich mir dann auch das dritte Medikament täglich spritzen müssen, bis die Follikel reif genug wären für die Eizellentnahme.

Wir kamen mit einer riesengroßen Tüte voller Medikamenten aus der Apotheke. Preislich waren die Medikamente ca. 30% günstiger als in Deutschland. Das war natürlich auch ein zusätzliches Plus. Plötzlich fiel uns jedoch ein, dass wir damit ja auch am nächsten Tag durch die Security Kontrolle am Flughafen müssten. Wir waren uns gar nicht sicher, ob das mit so vielen Spritzen und Kanülen überhaupt erlaubt war. Doch am nächsten Tag gab es am Flughafen zum Glück keinerlei Probleme.

Zurück in Deutschland galt es dann weitere Vorbereitungen zu treffen. Meine Gynäkologin in Deutschland hatte ich bereits in unsere Pläne eingeweiht. Ich brauchte ihre Unterstützung, da während der Hormonbehandlung regelmäßig Ultraschallkontrollen und Bluttests durchgeführt werden mussten. Diese wollte ich zu Hause in Deutschland machen lassen und dann erst zur Entnahme der Eizellen nach Barcelona fliegen. So musste ich statt zwei Wochen oder mehr nur ein paar Tage vor Ort sein. Zum Glück war meine Ärztin in Deutschland sehr unterstützend und hat mir zugesagt, auch kurzfristig für alle nötigen Ultraschallkontrollen zur Verfügung zu stehen.

Nur die Bluttests stellten ein Problem dar. Der Arzt in Barcelona benötigte die Resultate der regelmäßigen Bluttests noch am selben Tag, um den Fortschritt der Behandlung zu überwachen und um eine Entscheidung für die weitere Medikamentendosis treffen zu können. Das Labor mit der meine Frauenarztpraxis zusammenarbeitete würde die Ergebnisse jedoch erst einen Tag später liefern können. Ich musste also eine andere Lösung finden. Eine Freundin brachte mich auf die Idee, mich direkt an ein Labor zu wenden. Bei vielen Laboren kann man sich nämlich vor Ort direkt Blut abnehmen lassen und dann noch am selben Tag die Resultate bekommen. Bereits das zweite Labor, mit dem ich telefonierte, bot diesen Service an. Die sehr nette Dame mit der ich sprach, meinte, das das alles kein Problem sei. Wenn ich bis ca. 12 Uhr zur Blutabnahme da wäre, könnten Sie mir noch am selben Tag die Resultate mitteilen.

Alle Vorbereitungen waren jetzt also getroffen. Jetzt hieß es nur noch hoffen, dass die Zyste verschwinden würde. Und ich hatte Glück: Als ich am 2. Tag meiner Periode bei meiner Gynäkologin war, konnte sie im Ultraschall keine Zyste mehr erkennen.

Es konnte jetzt also wirklich losgehen!

4. Die weibliche Fruchtbarkeit, das unbekannte Wesen

Als ich mit Lynch-Syndrom diagnostiziert wurde, haben mein Mann und ich uns entschieden, keine Kinder auf natürlichem Weg zu bekommen (siehe Blogpost „3. IVF – WTF?“). Stattdessen haben wir beschlossen, uns einer In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Präimplantationsdiagnostik (PID) zu unterziehen, um so zu verhindern, dass unsere zukünftigen Kinder den gleichen Gendefekt erben würden. Da PID bei Lynch-Syndrom in Deutschland nicht von der Ethikkommission genehmigt wird, blieb uns nichts anderes übrig, als uns eine IVF Klinik im Ausland zu suchen.

Also recherchierten wir nach IVF Kliniken in Tschechien und machten mit einer Klinik in Prag einen Termin für ein Erstgespräch. In Vorbereitung auf diesen Termin, wurden wir gebeten bereits diverse Untersuchungen und Tests machen zu lassen, damit der Arzt eine erste Einschätzung unserer Situation machen und Empfehlungen für eine Behandlung geben konnte. Auf Nachfrage hin haben wir erfahren, dass sich anhand diverser Hormonwerte im Blut eine Aussage über die Fruchtbarkeit der Frau treffen lässt. Aha. Interessant. Wieso hatte ich vorher noch nie etwas davon gehört? Naja, ich war ja erst 34 und um Fruchtbarkeit musste ich mir ja nun sicher keine Sorgen machen. Ach was war ich damals noch so schön naiv…

Wie angewiesen bin ich dann zwischen dem 2. und 4. Tag meines nächsten Zyklus zur Blutabnahme bei meinem Gynäkologen erschienen. Die Hormone, die bestimmt werden sollten, waren Anti-Müller Hormon (AMH), FSH, LH und Östradiol.

Ich hatte keine Ahnung, welchen Zweck die einzelnen Hormone erfüllten und habe mich deshalb erst mal schlau gemacht:

1. Anti-Müller Hormon (AMH): Das Anti-Müller Hormon (AMH) ist mit der wichtigste Indikator, um die Eizellenreserve einer Frau zu bestimmen. Die Eizellenreserve ist im Prinzip der Vorrat an Eizellen, der in den Eierstöcken vorhanden ist. Die Eizellenreserve kann nur sinken, nie steigen. Bereits als Fötus im Leib der Mutter entsteht die Eizellenreserve, mit der frau für den Rest ihres Lebens auskommen muss. Bis zur 20. Schwangerschaftswoche haben sich etwa sieben Millionen Eizellen in den Eierstöcken eines ungeborenen Mädchens entwickelt. Von da an geht es bergab. Bereits bei der Geburt sind nur noch etwa eine Millionen, bei Erreichung der Pubertät nur noch 400.000 Eizellen vorhanden. In jedem Zyklus kommt dann zwar nur ein Ei (machmal zwei) zur Reife, allerdings werden während dieses Vorgangs bis zu 1.000 weitere Eizellen verbraucht. Und somit verringert sich unsere Eizellenreserve also Monat um Monat unaufhaltbar. Zusätzlich unterliegen die Eizellen genau wie unser Körper einem Alterungsprozess und die Eizellenqualität nimmt mit den Jahren ab (später mehr dazu).

Das war eine aufschlussreiche, aber auch bittere Erkenntnis. Die biologische Uhr existiert also nicht nur in unserem Kopf, sondern es gibt sie wirklich. Und sie tickt wie verrückt!

Die Fruchtbarkeit ist von Frau zu Frau verschieden und der AMH Wert kann eine Indikation über die zur Verfügung stehende Eizellenreserve geben.

Die AMH Werte, die frau erwarten kann, liegen etwa in folgenden Bereichen:

  • 1.3 – 8 ng/mL: Normwert für fertile Frauen
  • 1,0 – 1,3 ng/mL: leicht eingeschränkte Fertilität
  • 0,4 – 1,0 ng/mL: eingeschränkte Fertilität
  • < 0,4 ng/mL: stark eingeschränkte Fertilität
  • > 8 ng/mL: Verdacht auf PCO-Syndrom

Nach der Menopause fällt der AMH-Spiegel auf nicht mehr messbare Werte ab.

2. FSH: Das Follikelstimulierende Hormon (FSH) bewirkt die Reifung von Eibläschen (Follikeln) in den Eierstöcken bis hin zum Eisprung. Ein erhöhter FSH Wert kann eine Indikation für eine zurückgehende Eizellenreserve sein. FSH wird hauptsächlich in der ersten Hälfte des Zyklus ausgeschüttet und sollte zwischen dem 2. und 4. Zyklustag gemessen werden. Dabei ist ein Wert zwischen 2 und 10 mIU/mL normal. Werte über 10 können auf eine verminderte Eizellenreserve hindeuten.

3. LH: Das Luteinisierendes Hormon (LH) trägt zur Auslösung des Eisprungs bei und steigt in den 48 Stunden davor stark an (20mIU/mL oder höher). Die Messung sollte ebenfalls zwischen dem 2. und 4. Zyklustag erfolgen. Werte zwischen 2 und 8 mIU/mL sind normal.

4. ÖstradiolÖstradiol (auch Estradiol oder E2) sollte ebenfalls zu Beginn des Zyklus gemessen werden. Gute Werte liegen zwischen 25 und 75 mIU/mL.

Als meine Gynäkologin mir dann eine Woche später meine Ergebnisse mitteilte, erlebte ich die nächste böse Überraschung. Mein AMH-Wert deutete mit nur 0.91 auf eine eingeschränkte Fertilität hin. Der erhöhte FSH Wert von 12.5 war ebenfalls nicht besonders prickelnd. Ihre Aussage, „Also wenn Sie sich jetzt nicht sowieso schon mit künstlicher Befruchtung beschäftigen würden, würde ich Ihnen raten, es nicht mehr zu lange auf natürlichem Wege zu probieren.“ gab mir dann den Rest. In der Praxis konnte ich die Tränen noch zurück halten, aber so bald ich aus der Tür war, musste ich erst einmal los heulen.

Das war eine völlig unerwartete Wendung. Meine Eierstöcke entsprachen also nicht meinem eigentlichen Alter, sondern waren mir bereits ein paar Jahre voraus und deuteten stark in Richtung beginnende Wechseljahre. WTF? Wieso kann ich bitte mit 34 kurz vor den beginnenden Wechseljahren stehen?

Während des Termins mit der Klinik in Prag wurde dann auch ein vaginaler Ultraschall bei mir gemacht, um meine Eierstöcke zu begutachten. Neben den Hormonwerten gibt es nämlich noch eine weitere einfache Methode, um die Eizellenreserve abzuschätzen: der Antrale Follikel Count (AFC).

Follikel sind Zellstrukturen an den Eierstöcken in denen Eizellen heranreifen. Obwohl es zwei Eierstöcke mit jeweils mehreren Follikeln gibt, wird normalerweise nur eine Eizelle pro Zyklus entwickelt. Die anderen Follikel reifen nicht heran oder bilden sich zurück. Beim Eisprung wird eine Eizelle aus dem reifen Follikel ausgestoßen und macht sich auf den Weg durch die Eileiter, wo sie dann durch ein Spermium befruchtet werden kann.

Die Anzahl der antralen Follikel, also der AFC lässt eine Einschätzung der verbleibenden Eizellenreserve zu und wird mit einem vaginalen Ultraschall am Anfang des Zyklus bestimmt. Der Arzt kann dann ganz einfach die Follikel pro Eierstock zählen, die als dunkle Punkte auf dem Bildschirm sichtbar sind und in dieser Phase des Zyklus etwa 2 bis 10 mm groß sind. Ein normaler Wert für den AFC ist zwischen 6 und 10 pro Eierstock. Sind nur wenige Follikel erkennbar, kann dies auf eine verminderte Eizellenreserve hinweisen.

Während der Ultraschalluntersuchung in Prag, konnte der Arzt an meinem rechten Eierstock nur 3 Follikel erkennen. Am linken Eierstock hatte ich eine große Zyste, weshalb er gar keine Follikel erkennen konnte. Seine Einschätzung war, dass ich auf insgesamt maximal 5-6 Follikel kommen würde.

Das war ein weiterer Rückschlag! Von einem befreundeten Reproduktionsmediziner wurde uns nämlich gesagt, dass wir mindestens 20 Eizellen benötigen würden, um ein gesundes Kind zu bekommen. Denn von den 20 Eizellen werden während der IVF einige nicht befruchtet bzw. entwicklen sich nicht weiter und sterben ab, so dass davon nur ca. 4-5 befruchtete Eizellen übrig bleiben, von denen dann 50% das Lynch Syndrom haben werden, welches wir ja für unsere Kinder ausschließen wollen. Und selbst wenn wir dann eine gesunde, befruchtete Eizelle zurück in meine Gebärmutter setzen, muss sich diese ja erst noch einnisten und zu einem gesunden Baby entwickeln. Mehr dazu im nächsten Blogpost „5. Die Auswahl der richtigen Kinderwunsch Klinik Part I – A Numbers Game und warum Deutschland kein gutes Land für eine IVF Behandlung ist“.

Mit meiner Fertilitätsprognose würde ich also mindestens 3 bis 4 Hormonbehandlungszyklen durchmachen müssen, um überhaupt auf die Anzahl von 20 Eizellen zu kommen. Uff! Bisher dachten wir, dass eine, vielleicht maximal zwei Hormonbehandlungen ausreichen würden und zack würden wir ein Baby bekommen. Doch diese Illusion wurde uns damit genommen.

Am meisten an dieser ganzen Sache ärgert mich, dass bei meinen jährlichen gynäkologischen Check-ups das Thema Fertilität noch nicht einmal im Ansatz erwähnt wurde. Es ist so einfach mit einem kleinen Bluttest die Eizellenreserve zu bestimmen und auch bei jedem vaginalen Ultraschall könnte der Arzt die Follikel sehen. Warum wurde das also bisher noch nie angesprochen? Weil die Krankenkassen das nicht zahlen? Ich glaube viele Frauen wären bereit, die 50 Euro einmal im Jahr zu investieren. Ich finde jede Frau ab 30 sollte während eines gynäkologischen Vorsorgetermins zumindest aufgeklärt werden, dass es diese Möglichkeiten gibt. Wenn ich mit Anfang 30 herausgefunden hätte, dass meine Eizellenreserve bereits zur Neige geht, hätte ich mich ziemlich sicher dafür entschieden Eizellen einzufrieren. Für manche Paare kann das auch den Kinderwunsch beschleunigen.

Dass in der heutigen Zeit oft suggeriert wird, dass auch ältere Frauen problemlos schwanger werden können, ist einfach falsch. Natürlich bekommen im Schnitt Frauen heutzutage später Kinder als früher. Aber ich glaube nicht, dass das immer so einfach ist. Oftmals lässt eine Schwangerschaft wahrscheinlich ziemlich lange auf sich warten. Und in vielen Fällen tritt sie vielleicht niemals ein. Schwanger zu werden mit niedriger Eizellenreserve ist nicht unmöglich und man sollte nie den Mut verlieren. Doch je früher man sich mit dem Thema Fruchtbarkeit auseinander setzt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit keine böse Überraschung erleben zu müssen.